Imperium
Adjutanten im Schlepptau, den Gang hinunter.
Während er ihm hinterherschaute, runzelte Cicero die Stirn und schüttelte den Kopf. Da ich nicht annähernd so viel von Politik verstand, wie ich nach dreizehn Jahren in seinen Diensten eigentlich hätte verstehen müssen, war mir vollkommen unbegreiflich, was an dieser Unterhaltung so beunruhigend gewesen sein sollte. Aber Cicero war ohne Frage erschüttert. Sobald wir wieder draußen auf der Via Sacra waren, zog er mich außer Hörweite der scharfen Ohren unseres proximus lictor und sagte: »Das ist eine Entwicklung, Tiro, die wirklich ernst ist. Ich hätte das kommen sehen müssen.« Als ich ihn fragte, was es ihn kümmere, ob man Catilina anklage oder nicht, antwortete er in vernichtendem Tonfall: »Weil es dir verboten ist, du Spatzenhirn, dich zu einer Wahl zu stellen, wenn gegen dich ein Verfahren läuft. Das heißt: Wenn die Afrikaner einen Fürsprecher finden und Anklage gegen Catilina erhoben wird und wenn sich der Fall bis in den nächsten Sommer hineinzieht, dann bleibt Catilina von der Teilnahme an der Konsulatswahl ausgeschlossen, bis der Fall entschieden ist. Was weiter heißt: Sollte Catilina durch irgendeinen Zufall freigesprochen werden, ist er mein Gegner in meinem Jahr.«
Ich bezweifle, ob irgendein anderer Senator in Rom versucht hätte, so weit in die Zukunft zu blicken - wer würde schon so viele Wenns aufeinanderschichten und dann daraus einen Grund ableiten, um in Panik auszubrechen. Quintus jedenfalls, nachdem Cicero ihm seine Ängste auseinandergesetzt hatte, lachte seinen Bruder aus: »Und wenn dich ein Blitz träfe, Marcus, und wenn Metellus Pius sich noch an den Wochentag erinnern würde …« Aber Cicero machte sich weiter Sorgen und zog heimlich Erkundigungen darüber ein, wie die afrikanische Abordnung bei ihrer Suche nach einem glaubwürdigen Anwalt vorankam. Allerdings taten sie sich dabei so schwer, wie Cicero vermutet hatte - trotz der gewaltigen Menge an Beweisen, die sie über Catilinas Verfehlungen zusammengetragen hatten, und trotz der Tatsache, dass Pius eine Resolution durch den Senat gebracht hatte, in der dem früheren Statthalter eine Rüge erteilt wurde. Niemand lechzte danach, es mit einem derart gefährlichen Gegner aufzunehmen und das Risiko einzugehen, eines späten Abends mit dem Gesicht nach unten im Tiber zu treiben. Und so dümpelte die Anklage erst mal vor sich hin, und Cicero brauchte sich nicht weiter darum zu kümmern. Unglücklicherweise war ihm das nicht lange vergönnt.
KAPITEL XIV
Am Ende seiner Amtsperiode als Prätor hatte Cicero das Recht, außer Landes zu gehen und für ein Jahr eine Provinz zu regieren. Das war gängige Praxis in der Republik. Es gab einem Mann Gelegenheit, Erfahrungen in der Verwaltungsarbeit zu sammeln und außerdem seine wegen der Auslagen für das Amt strapazierte Kasse wieder aufzufüllen. Nach der Rückkehr verschaffte man sich einen Eindruck von der politischen Stimmung, und wenn diese einem vielversprechend erschien, bewarb man sich im folgenden Sommer um das Konsulat. Antonius Hybrida, zum Beispiel, dem mit den Kosten für die Spiele des Apollo offensichtlich gewaltige Verbindlichkeiten entstanden waren, machte in Kappadokien Jagd auf Beute. Cicero schlug einen anderen Weg ein, er verzichtete auf sein Recht, eine Provinz zu verwalten. Zum einen wollte er von vornherein die Möglichkeit ausschließen, dass man ihm eine fingierte Anklage anhängte und sich ihm auf Monate ein Sonderermittler an die Fersen heftete. Zum anderen erinnerte er sich ungern an das Jahr, das er als Quästor auf Sizilien verbracht hatte. Seitdem hasste er es, Rom für länger als ein oder zwei Wochen verlassen zu müssen. Es hat wohl selten einen eingefleischteren Stadtmenschen als Cicero gegeben. Aus der Geschäftigkeit auf den Straßen und in den Gerichten, im Senat und auf dem Forum sog er seine Kraft. Die Aussicht auf ein Jahr öder Provinzgesellschaft in Kilikien oder Makedonien, und sei sie noch so lukrativ, war ihm ein Gräuel.
Außerdem hatte er jede Menge Arbeit als Anwalt. Als Erstes stand die Verteidigung von Pompeius ' ehemaligem Volkstribunen Gaius Cornelius an, den die Aristokraten wegen Hochverrats angeklagt hatten. Nicht weniger als fünf bedeutende aristokratische Senatoren - Hortensius, Catulus, Lepidus, Marcus Lucullus und sogar der alte Metellus Pius - taten sich gegen Cornelius zusammen wegen der Rolle, die er zugunsten der Gesetze von Pompeius gespielt hatte. Sie warfen ihm
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