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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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oder warf ihm einen scheinbar respektlosen Blick zu, und schon verlor er jede Selbstbeherrschung. In der Zeit von Sullas Proskriptionen, als auf dem Forum Todeslisten aushingen, war Catilina unter den sogenannten percussores einer der geschicktesten Mörder mit Hammer und Messer gewesen und hatte aus den Gütern der von ihm Exekutierten jede Menge Geld herausgepresst. Zu den Opfern gehörte auch sein eigener Schwager. Allerdings verfügte Catilina zweifellos über Charisma. Auf jeden, den seine Barbarei anwiderte, kamen drei oder vier, die er mit seiner ebenso unmäßig zur Schau gestellten Freigebigkeit anzog. Außerdem führte er ein sexuell ausschweifendes Leben. Vor sieben Jahre hatte man Catilina wegen der sexuellen Beziehung zu einer vestalischen Jungfrau angeklagt, bei der es sich um niemand anderen als Terentias Halbschwester Fabia gehandelt hatte. Das war ein Kapitalverbrechen, nicht nur von ihm, auch von ihr, und wäre Fabia schuldig gesprochen worden, hätte sie die traditionelle Strafe für eine Vestalin, die ihr heiliges Keuschheitsgelübde brach, erleiden müssen: Man hätte sie in einer eigens dafür bestimmten winzigen Kammer neben der Porta Collina lebendig begraben. Doch die Aristokraten hatten sich unter Catulus ' Führung um Catilina geschart und seinen Freispruch gesichert, sodass er seine politische Karriere nahtlos fortsetzen konnte. Vor zwei Jahren war er Prätor und danach Statthalter in der Provinz Afrika gewesen, sodass er den Aufruhr um die lex Gabinia nicht miterlebt hatte. Er war gerade erst nach Rom zurückgekehrt.
    »Seit mein Vater vor fünfzig Jahren Statthalter von Afrika war«, sagte Pius, »sind die Mitglieder meiner Familie immer die wichtigsten Patrone der Provinz gewesen. Die Menschen dort wenden sich an mich, wenn sie Schutz suchen, und ich kann dir sagen, Prätor, dass kein Mann sie je so erzürnt hat wie Sergius Catilina. Er hat die Provinz vollkommen ausgeplündert - hat den Bürgern Steuern abgepresst, hat gemordet, hat die Tempelschätze geraubt, hat Frauen und Töchter vergewaltigt. Diese Sergii!«, rief er angeekelt, würgte einen großen gelben Schleimbatzen aus seinem Rachen nach oben und spuckte ihn auf den Boden. »Nennen sich protzig Nachfahren der Trojaner, aber seit zweihundert Jahren war kein Einziger mehr unter ihnen, der einen Funken Anstand im Leib hatte. Ich höre, du bist der verantwortliche Prätor, der solche Kreaturen zur Rechenschaft zieht.« Er musterte Cicero von Kopf bis Fuß. »Erstaunlich! Ich kann nicht behaupten, dass ich wüsste, wer du überhaupt bist. Aber gut, was gedenkst du also zu unternehmen?«
    Cicero behielt immer die Ruhe, wenn jemand versuchte ihn zu beleidigen. Er sagte nur: »Haben die Afrikaner schon eine Anklage vorbereitet?«
    »Ja. Eine Abordnung befindet sich bereits in Rom und sucht nach einem geeigneten Ankläger. An wen sollen sie sich wenden?«
    »Ich kann dir da kaum weiterhelfen. Schließlich bin ich der Vorsitzende des Gerichts und habe unparteiisch zu bleiben.«
    »Blabla. Erspar mir das Advokatengewäsch. Privat, von Mann zu Mann.« Pius winkte ihn mit dem Finger näher heran. Die meisten seiner Zähne waren auf diversen Schlachtfeldern geblieben, und er machte ein pfeifendes Geräusch, als er versuchte zu flüstern. »Du kennst dich in den Gerichtshöfen besser aus als ich. Wer ist der Richtige dafür?«
    »Ehrlich gesagt, das wird nicht ganz leicht werden«, sagte Cicero. »Catilinas Gewalttätigkeit ist allgemein bekannt. Der Mann braucht Mut, der Klage gegen einen derart schamlosen Mörder einreicht. Und vermutlich wird Catilina sich im nächsten Jahr um das Konsulat bewerben. Da wächst ein mächtiger Feind heran.«
    »Konsulat?« Pius schlug sich plötzlich heftig auf die Brust. Der dumpfe Schlag ließ seine priesterlichen Begleiter zusammenzucken. »Sergius Catilina wird nicht Konsul werden, nicht im nächsten und auch in keinem anderen Jahr, nicht solange noch ein Rest von Leben in diesen alten Knochen steckt. Es muss doch in dieser Stadt jemanden geben, der Manns genug ist, diesen Schurken vor seinen Richter zu bringen. Und wenn nicht … nun, ich bin noch lange kein so seniler Trottel, als dass ich nicht mehr wüsste, wie man in dieser Stadt einen Kampf durchficht. Und du, Prätor, hast nichts weiter zu tun, als in deinem Kalender genügend Platz freizuhalten, damit dieser Fall zur Anhörung kommt.« Mit diesen Worten drehte er sich um und schlurfte mürrisch vor sich hinbrummelnd, mit seinen priesterlichen

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