Imperium
Gaius Gracchus an, die mit ihren Ackergesetzen den Besitzlosen Eigentum verschaffen wollten und die dafür beide mit einem gewaltsamen Tod bezahlten. Aus meinen eigenen Lebzeiten sind Marcus und Lucius Lucullus zu nennen, Aristokraten, die ebenso wie eine Vielzahl von Brüdern aus dem Geschlecht der Metelli und der Marcelli in aufeinanderfolgenden Jahren Konsuln waren. In einem Milieu menschlichen Handelns, in dem Freundschaften flüchtig sind und Bündnisse nur geschlossen werden, um sie wieder zu brechen, muss das Wissen darum, dass ein anderer Mann durch seinen Namen auf immer mit einem verbunden bleibt, egal, wie das Schicksal einem auch mitspielt, ein starker Quell der Kraft sein. Die Beziehung der beiden Ciceros war - wie vermutlich bei den meisten Brüdern - geprägt von einer komplizierten Mischung aus Zuneigung und Feindseligkeit, Eifersucht und Treue. Ohne Cicero wäre aus Quintus erst ein guter und fähiger Offizier in der Armee und dann ein guter und fähiger Bauer in Arpinum geworden, während aus Cicero ohne Quintus der gleiche Cicero geworden wäre. Weil er das wusste und weil ihm bewusst war, dass auch sein Bruder das erkannt hatte, war Cicero um größtmögliche Harmonie bemüht und bot Quintus großzügig Platz unter dem glitzernden Mantel seines Ruhmes.
In jenem Winter verwandte Quintus viel Zeit darauf, ein Wahlhandbuch zusammenzustellen, ein Destillat seiner brüderlichen Ratschläge an Cicero, aus dem er bei jeder sich bietenden Gelegenheit zitierte, als sei es Platons Politeia. Es begann so: Vergiss nie, wer du bist, wo du bist und was du willst. Jeden Tag auf dem Weg zum Forum sage dir immer wieder: »Ich bin ein homo novus, ich bin in Rom, ich will das Konsulat.« An ein paar von diesen kleinen Moralpredigten kann ich mich noch immer erinnern. Überall lauern Betrug, Fußangeln, Verrat. Halte dich immer fest an den Ausspruch von Epicharmos, dass alle Weisheit auf einem Grundsatz fußt : »Vertraue niemals vorschnell. « Sorge dafür, dass jeder sieht, wie viele und vor allem wie viele unterschiedliche Freunde du hast. Ich werde penibel darauf achten, dass du immer von Menschen umgeben bist. Wenn dich jemand um etwas bittet, lehne nie ab, auch wenn du seinen Wunsch nicht erfüllen kannst. Sorge dafür, dass deine Kampagne gute Unterhaltung ist: Glanz, Pracht, Populismus; und sorge - falls machbar - auch dafür, dass über deine Widersacher skandalöse Geschichten über deren Verbrechen, Ausschweifungen und Bestechungen im Umlauf sind.
Quintus war sehr stolz auf sein Handbuch, und viele Jahre später veröffentlichte er es sogar. Zum Entsetzen von Cicero, der daran glaubte, politischer Erfolg hänge wie die Wirkung großer Kunst davon ab, dass die dahinterstehende Methode verborgen bliebe.
Im Frühjahr feierte Terentia ihren dreißigsten Geburtstag, und Cicero arrangierte zu ihren Ehren eine kleine Abendgesellschaft. Quintus und Pomponia waren eingeladen, Frugi mit seinen Eltern und der penible Servius Sulpicius mit seiner überraschend hübschen Frau Postumia. Sicher waren noch andere Gäste gekommen, aber der Strom der Zeit hat meine Erinnerung an sie fortgespült. Der Hausverwalter Eros hatte die Mitglieder des Haushalts kurz zusammengerufen, damit wir Terentia unsere Glückwünsche übermitteln konnten. Ich erinnere mich noch daran, dass sie mir an jenem Abend so gut aussehend und in so fröhlicher Stimmung wie noch nie zuvor erschienen war. Das kurze dunkle Lockenhaar glänzte, die Augen leuchteten, und die eigentlich magere Figur kam mir voller und weicher vor.
Nachdem Cicero und seine Frau die Gäste ins Speisezimmer geführt hatten, machte ich eine diesbezügliche Bemerkung zu Terentias Mädchen. Sie schaute sich nach allen Seiten um, ob uns auch niemand beobachtete, und machte dann vor dem Bauch mit verschränkten Händen eine kreisende Bewegung. Erst verstand ich nicht, worauf sie einen Kicheranfall bekam, und erst nachdem sie immer noch lachend die Treppe hinaufgelaufen war, begriff ich, was für ein Esel ich war - und nicht nur ich. Einem normalen Ehemann wären die Anzeichen sicher schon früher aufgefallen, aber Cicero war jeden Tag bei Sonnenaufgang auf den Beinen, kam erst wieder nach Hause, wenn es bereits dämmerte, und dann gab es immer noch eine Rede zu schreiben oder einen Brief zu diktieren - das Wunder war, dass er überhaupt die Zeit gefunden hatte, seinen ehelichen Pflichten nachzukommen. Wie auch immer, irgendwann ließen laute, erregte Stimmen und Applaus
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