Imperium
meiner Geschichte komme - der Konsulatswahl. Es genügt wohl, wenn ich sage, dass man Cicero für einen unparteiischen und rechtschaffenen Richter hielt und dass er der Aufgabe mit seinen Fähigkeiten mühelos gewachsen war. Stieß er doch einmal auf ein besonders sperriges Thema der Jurisprudenz und benötigte eine zweite Meinung, dann wandte er sich entweder an seinen alten Freund und Kommilitonen aus gemeinsamen Studientagen bei Molon, Servius Sulpicius, oder suchte den angesehenen Prätor des Gerichtshofes für Wahlrecht, Aquilius Gallus,in dessen Villa auf dem Viminal auf. Der größte Fall, dem er vorzusitzen hatte, war der von Gaius Licinius Macer, einem Verwandten und Parteigänger von Crassus, der wegen seiner Taten als Statthalter von Makedonien angeklagt war. Am Ende der Anhörung, die sich über mehrere Wochen erstreckt hatte, zog Cicero ein gerechtes Fazit, konnte sich aber eine witzige Bosheit nicht verkneifen. Der Kern der Anklage war, dass Macer sich widerrechtlich eine halbe Million Sesterzen in die Tasche gesteckt hatte. Anfangs leugnete Macer. Die Anklagevertretung konnte beweisen, dass exakt die gleiche Summe bei einer von Macer kontrollierten Kreditfirma eingezahlt worden war. Darauf änderte Macer seine Geschichte und behauptete, ja, er erinnere sich an die Geldzahlung, habe aber geglaubt, sie sei legal gewesen. »Nun, es mag ja sein«, sagte Cicero zu den Geschworenen, während er auf einige Beweispunkte hinwies, »dass der Angeklagte das geglaubt hat.« Er machte eine gerade so lange Pause, dass ein paar vereinzelte Lacher zu hören waren, worauf er ein gespielt strenges Gesicht aufsetzte. »Nein, nein, vielleicht hat er es geglaubt. In welchem Fall …« Wieder eine kurze Pause. »… man allerdings mit einiger Logik folgern kann, dass er vielleicht für den Posten eines römischen Statthalters zu dumm war.« Ich hatte in genügend Gerichtssälen gesessen, um an dem stürmischen Gelächter sofort erkennen zu können, dass Cicero den Mann gerade so sicher verurteilt hatte, als wenn er selbst der Vertreter der Anklage gewesen wäre. Macer war keineswegs dumm, im Gegenteil, er war sogar sehr schlau, so schlau, dass er jeden anderen für einen Idioten hielt. Jedenfalls erkannte er die Gefahr nicht und ging tatsächlich, während die Geschworenen über das Urteil abstimmten, nach Hause, um sich für die fest eingeplante abendliche Siegesfeier umzuziehen und die Haare schneiden zu lassen. Während seiner Abwesenheit wurde er verurteilt, und er wollte gerade wieder ins Gericht zurückkehren, als Crassus ihn an der Haustür abfing und ihm erzählte, was geschehen war. Manche sagen, Macer sei so geschockt gewesen, dass er auf der Stelle tot umgefallen sei, andere behaupten, er sei sofort wieder ins Haus zurückgegangen und habe sich umgebracht, um seinem Sohn die Schande seines Exils zu ersparen. Wie auch immer, jedenfalls starb er, und Crassus hatte - als ob es dessen noch bedurft hätte - einen weiteren Grund, Cicero zu hassen.
Am 6. Juli, dem ersten Tag der Spiele des Apollo, begann traditionell der Wahlkampf, obwohl man in jener Zeit den Eindruck hatte, dass immer Wahlkampf herrschte. Kaum war einer zu Ende, fieberten die Kandidaten schon dem nächsten entgegen. Cicero witzelte, dass das eigentliche Regierungsgeschäft lediglich die Zeit zwischen den Wahltagen füllte. Vielleicht ist das einer der Gründe für den Niedergang der Republik gewesen: Sie hat mit den vielen Wählen die Bürger völlig überfordert, und die Republik hat sich letztendlich zu Tode gewählt. Wie auch immer, das öffentliche Unterhaltungsprogramm zu Ehren Apollos oblag dem Stadtprätor, und das war in jenem Jahr Antonius Hybrida.
Niemand hatte sich große beziehungsweise überhaupt irgendwelche Hoffnungen auf einigermaßen zufriedenstellende Spiele gemacht, denn jedermann wusste, dass Hybrida sein ganzes Geld versoffen und verspielt hatte. So war es eine große Überraschung, dass er nicht nur eine Serie wunderbarer Theateraufführungen auf die Beine stellte, sondern auch verschwenderische Spektakel im Circus Maximus, wobei zwölf Wagenrennen, athletische Wettkämpfe und eine Tierhetze mit Panthern und allen Arten von exotischen Tieren stattfanden. Ich selbst bin nicht dort gewesen, aber Cicero berichtete mir ausführlich, als er an jenem Abend nach Hause kam. Er ließ sich auf eine der Liegen im leeren Speisezimmer fallen - Terentia war mit Tullia aufs Land gefahren - und erzählte mir von der Parade in den
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