Imperium
gekennzeichnet sei. Als er es schließlich fand, hatte er aus eigener Tasche dafür gezahlt, dass das Unkraut und Gestrüpp entfernt wurde. Dann hatte er stundenlang neben dem Grab gesessen und über die Vergänglichkeit menschlichen Ruhmes sinniert. Seine Großzügigkeit und Rücksichtnahme waren von der einheimischen Bevölkerung nicht vergessen worden.)
Aber zurück zu unserer Geschichte: Wir nahmen Quartier im Haus eines römischen Ritters namens Lucius Flavius, eines alten Freundes von Cicero, der unserer ohnehin schon prallen Materialsammlung noch jede Menge neuer Berichte über Verres ' korruptes und grausames Treiben hinzufugte. Etwa die Geschichte des Piratenkapitäns Heracleo, der es geschafft hatte, an der Spitze eines Geschwaders von vier kleinen Galeeren bis in den Hafen von Syrakus vorzudringen, die Lagerhäuser auszuräumen und wieder zu verschwinden, ohne auf den geringsten Widerstand zu treffen. Als man ihn ein paar Wochen später ein Stück weiter nördlich in Megara fasste, wurden weder er noch seine Männer als Gefangene präsentiert, was zu Gerüchten führte, dass man ihn gegen eine große Lösegeldsumme freigelassen hatte. Oder die Horrorgeschichte über den römischen Bankier aus Spanien, Lucius Herennius, den man eines Morgens aufs Forum von Syrakus geschleift, kurzerhand als Spion denunziert und auf Verres ' Befehl geköpft hatte - trotz der flehentlichen Bitten von Freunden und Geschäftspartnern, die sofort zum Forum geeilt waren, als man ihnen davon erzählt hatte. Die Parallelen zwischen Herennius ' Fall und dem von Gavius in Messana waren augenfällig: Beide waren Römer, beide aus Spanien, beide im Handelsgeschäft tätig, beide der Spionage beschuldigt und beide hingerichtet ohne Anhörung oder ordentlichen Prozess.
Nach dem Essen an jenem Abend brachte ein Kurier aus Rom einen Brief für Cicero. Er las ihn schnell durch, entschuldigte sich und nahm Lucius, den jungen Frugi und mich beiseite. Die Botschaft war von seinem Bruder Quintus und enthielt gewichtige Neuigkeiten. Es schien ganz so, als hatte Hortensius wieder in seine Trickkiste gegriffen. Der Gerichtshof für Erpressungen hat überraschend eine Klage gegen einen ehemaligen Statthalter von Achaea zugelassen. Der Ankläger Dasianus, ein allseits bekannter Verres-Intimus, war schon nach Griechenland abgereist und würde mit seinem Beweismaterial zwei Tage vor der für Ciceros Rückkehr festgesetzten Frist wieder in Rom sein. Quintus ersuchte seinen Bruder dringend, so schnell wie möglich nach Rom zurückzukehren, um die Situation zu retten.
»Das ist eine Falle«, sagte Lucius sofort. »Er will dich in Panik versetzen, damit du die Reise vorzeitig abbrichst.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, stimmte Cicero zu. »Aber das Risiko kann ich nicht eingehen. Wenn das Gericht diesen anderen Fall vor unserem aufruft und Hortensius das Verfahren nach bewährter Manier in die Länge zieht, dann könnte unser Fall bis hinter den Wahltermin hinausgeschoben werden. Und dann sind Hortensius und Quintus Metellus die designierten Konsuln. Der jüngste von den Metellus-Brüdern ist der zukünftige Prätor, und der dritte ist immer noch Statthalter hier in Sizilien. Was glaubst du, wie es dann um unsere Chancen steht?«
»Also, was machen wir?«
»Wir haben schon viel zu viel Zeit mit den kleinen Fischen verschwendet«, sagte Cicero. »Wir müssen den Krieg ins Lager des Feindes tragen und denen die Zungen lockern, die wirklich wissen, was da gespielt wurde - den Römern selbst.«
»Du hast recht«, stimmte Lucius ihm zu. »Die Frage ist nur, wie?«
Cicero schaute sich vorsichtig um und sagte dann mit sehr leiser Stimme: »Wir veranstalten eine kleine Durchsuchung. Und zwar in den Geschäftsräumen der Steuerpächter.«
Lucius wurde ganz blass, als er das hörte. Außer dem Versuch, in den Palast des Statthalters zu marschieren und Metellus selbst zu verhaften, war das so ziemlich das Gewagteste an Provokation, was Cicero sich leisten konnte. Die Steuerpächter bildeten ein Syndikat aus Männern mit besten Verbindungen. Sie standen im Ritterrang, operierten unter dem Schutz des Gesetzes, und zu ihren Geldgebern gehörten einige der reichsten Senatoren Roms. Cicero selbst hatte sich als Spezialist in Handelsrecht ein Netzwerk aus Förderern aufgebaut, das exakt aus dieser Klasse von Geschäftsleuten stammte. Die Strategie war riskant, das wusste er. Trotzdem ließ er sich nicht davon abbringen. Er war davon überzeugt, dass das
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