Imperium
und den Rest ihrer Tage als Konsul und sie als »Konsulin« von Thermae fristen müssten. Nie erschien mir eine Weissagung wahrscheinlicher als in diesem Augenblick. Nur Cicero behielt kühlen Kopf. Er hatte genügend zwielichtige Steuereintreiber vertreten und kannte die meisten ihrer Täuschungsmanöver. Als offensichtlich war, dass alle Akten mit Bezug auf Verres entfernt worden waren, grub er eine alte Namensliste mit allen höheren Angestellten aus und suchte so lange, bis er auf den Namen des Mannes stieß, der während Verres ' Amtszeit auf Sizilien Finanzdirektor des Steuerpächtersyndikats gewesen war.
»Auf eins kann man sich immer verlassen, Tiro«, sagte er zu mir. »Ich habe noch keinen Finanzdirektor erlebt, der bei Übergabe der Geschäfte an seinen Nachfolger nicht ein paar ganz spezielle Unterlagen für sich behalten hätte. Nur um sicherzugehen, verstehst du?«
Und damit nahmen wir die zweite Durchsuchung an diesem Morgen in Angriff.
Unser Opfer war ein Mann namens Vibius, der gerade mit seinen Nachbarn Terminalia feierte. Er hatte in seinem Garten einen Altar aufgestellt, auf dem Weizenähren und Honigwaben lagen und ein Krug Wein stand. Vibius hatte gerade ein Ferkel geopfert. (»Sind alles fromme Menschen, diese kriminellen Buchhalter«, bemerkte Cicero.) Als Vibius erkannte, dass der Senator direkt auf ihn zusteuerte, sah er selbst ein bisschen wie ein Ferkel aus, und als er dann auch noch die Vollmacht, auf dem das Siegel des Prätors Glabrio prangte, gelesen hatte, war ihm klar, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als zu kooperieren. Er entschuldigte sich bei seinen verwirrten Gästen, bat uns ins Tablinum und öffnete seinen Tresor. Zwischen Eigentumsurkunden, Rechnungsbüchern und Schmuckstücken lag ein kleines Briefbündel mit der Aufschrift »Verres«. Als Cicero das Bündel aufschnürte, spiegelte sich blankes Entsetzen in Vibius ' Gesicht. Ich schätze, dass ihm Freunde schon des Öfteren empfohlen hatten, die Briefe zu vernichten, aber er hatte es entweder vergessen oder gedacht, dass sich damit irgendwann noch etwas Geld verdienen ließe.
Auf den ersten Blick machten die Briefe nicht viel her - es schien sich lediglich um die Korrespondenz eines Steuerinspektors namens Lucius Canuleius zu handeln, der für die Erhebung von Exportzöllen auf alle Güter zuständig gewesen war, die den Hafen von Syrakus passiert hatten. In den Briefen war von einer bestimmten Schiffsladung die Rede, die Syrakus vor zwei Jahren verlassen und für die Verres keine Steuern bezahlt hatte. Die Ladeliste war angeheftet. Es hatte sich um vierhundert Fässer Honig, fünfzig Speisezimmerliegen, zweihundert Kronleuchter und neunzig Ballen Malteser Tuch gehandelt. Einem anderen Ankläger wäre das Besondere daran vielleicht nicht aufgefallen, Cicero bemerkte es sofort.
»Schau dir das mal an«, sagte er und gab mir die Liste. »Die Sachen stammen nicht von irgendwelchen bedauernswerten Einzelpersonen. Vierhundert Fässer Honig. Neunzig Ballen ausländisches Tuch.« Er drehte sich um und schaute den unseligen Vibius wütend an. »Das ist eine ganze Ladung, stimmt ' s? Dein Statthalter Verres hat ein ganzes Schiff gestohlen.«
Der arme Vibius hatte keine Chance. Er warf einen nervösen Blick in den Garten zu seinen bestürzten Gästen, die mit offenem Mund dastanden und in unsere Richtung schauten. Er bestätigte, dass es sich tatsächlich um eine komplette Schiffsladung gehandelt und dass man ihn angewiesen habe, nie wieder Steuern auf irgendwelche Exporte des Statthalters zu erheben.
»Wie viele solcher Lieferungen hat Verres noch abgewickelt?«, fragte Cicero.
»Das weiß ich nicht genau.«
»Ungefähr.«
»Zehn«, sagte Vibius ängstlich. »Vielleicht zwanzig.«
»Und bei keiner Ladung wurde Zoll bezahlt? Oder irgendetwas schriftlich festgehalten?«
»Nein.«
»Und woher hatte Verres die Ware?«, bohrte Cicero weiter.
Vibius war vor Angst einer Ohnmacht nahe. »Senator, bitte …«
»Ich werde dich festnehmen lassen«, sagte Cicero. »Ich werde dich in Ketten nach Rom schaffen lassen, im Zeugenstand auf dem Forum Romanum vor tausend Zuschauern in Stücke reißen und deine Überreste an die Hunde im Tempel der Kapitolinischen Trias verfüttern.«
»Von Schiffen, Senator«, sagte Vibius mit piepsender Stimme. »Die Güter stammten von Schiffen.«
»Was für Schiffen? Woher kamen die?«
»Von überall, Senator. Aus Asia, Syrien, Tyros, Alexandria.«
»Und was ist mit den Schiffen passiert? Hat
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