Imperium
gegen Rom.«
»Verres!« Metellus schlug mit der Faust auf die Armlehne seines Stuhls. »Warum interessierst du dich plötzlich für Verres? Ich sage dir, warum. Du benutzt ihn, weil du die Chance witterst, damit deine Karriere befördern zu können, du mieser kleiner Stänkerer.«
»Schreib das auf, Tiro«, sagte Cicero, ohne seinen Blick von Metellus abzuwenden. »Ich will einen wörtlichen Bericht von diesem Gespräch. Derartige Einschüchterungsversuche werden von jedem Gericht zur Verhandlung zugelassen.«
Doch ich hatte viel zu viel Angst, um auch nur einen Finger zu rühren. Bei Ciceros letzten Worten war nämlich Metellus aufgesprungen, und die anderen Männer machten lautstark ihrem Unmut Luft. »Ich befehle dir«, sagte Metellus, »die heute Morgen gestohlenen Dokumente zurückzugeben!«
»Und ich möchte den Statthalter mit allem gebotenen Respekt daran erinnern«, erwiderte Cicero gelassen, »dass er sich nicht auf dem Exerzierplatz befindet, dass er es mit einem freien römischen Bürger zu tun hat und dass ich die Aufgabe, mit der man mich betraut hat, erfüllen werde!«
Metellus hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt und stand mit leicht vorgeneigtem Oberkörper und vorgerecktem Kinn vor Cicero. »Du kannst die Dokumente jetzt zurückgeben, ohne großes Aufsehen, oder das Gericht wird dich morgen vor den Augen von ganz Syrakus dazu zwingen.«
»Ich ziehe es vor, meine Sache vor Gericht auszutragen, wie immer«, sagte Cicero und neigte kaum merklich den Kopf. »Besonders, da ich weiß, welch unparteiischen und rechtschaffenen Richter ich mit dir, Lucius Metellus, würdiger Erbe des Verres, haben werde.«
Ich versichere, dass ich dieses Gespräch exakt wiedergebe, da Cicero und ich es sofort nach Verlassen des Raumes - was sehr bald nach dem letzten Wortwechsel geschah - zu rekonstruieren begannen für den Fall, dass er tatsächlich Gelegenheit erhielte, es vor Gericht verwenden zu können. (Die exakte Abschrift befindet sich bis zum heutigen Tag bei seinen Unterlagen.)
»Das ist ja prächtig gelaufen«, witzelte er, aber seine Hände und seine Stimme zitterten. Es war jetzt klar, dass die ganze Mission und vielleicht sogar seine persönliche Sicherheit in höchster Gefahr waren. »Aber wenn du die Macht willst«, sagte er halb zu sich selbst, »und wenn du ein homo novus bist, dann musst du es genau so anpacken. Keiner überreicht dir die Macht einfach so auf dem Silbertablett.«
Wir kehrten sofort zu Flavius ' Haus zurück und arbeiteten beim schwachen Schein qualmender sizilischer Kerzen und flackernder Öllampen die ganze Nacht durch, um für den morgigen Auftritt vor Gericht vorbereitet zu sein. Ehrlich gesagt war mir nicht klar, was Cicero überhaupt erwarten durfte - außer einer Demütigung. Metellus würde nie zu seinen Gunsten entscheiden, und außerdem, wie Cicero unter vier Augen ja schon zugegeben hatte, war das Recht aufseiten der Steuerpächter. Aber den Tapferen hilft das Glück, wie schon der edle Terentius sagt, und in jener Nacht war es zweifelsohne mit Cicero. Es war der junge Frugi, der den Durchbruch schaffte. Ich habe Frugi in dieser Erzählung nicht so oft erwähnt, wie er es eigentlich verdient hätte. Hauptsächlich deshalb, weil er den ruhigen, anständigen Typ verkörperte, der nur selten Anlass für eine Bemerkung gibt und erst auffällt, wenn er nicht mehr da ist. Er hatte schon den ganzen Tag über den Unterlagen der Steuerpächter gesessen und wollte auch am Abend, obwohl er sich Ciceros Erkältung eingefangen hatte, keinesfalls ins Bett, sondern stürzte sich stattdessen auf die Beweismittel, die der Senat von Syrakus zusammengetragen hatte. Es muss schon weit nach Mitternacht gewesen sein, als er plötzlich laut »Na also« rief und uns zu seinem Tisch winkte. Vor ihm lag eine Reihe von Wachstafeln, auf denen die Geldbewegungen des Steuerpächtersyndikats verzeichnet waren. Für sich genommen, hatte die Auflistung der Namen, Datumsangaben und geliehenen Beträge keine Aussagekraft. Doch als Frugi sie mit der Liste verglichen hatte, die der Syrakuser Senat von den Leuten erstellt hatte, die Bestechungsgelder an Verres zahlen mussten, ergab sich eine exakte Übereinstimmung: um zahlen zu können, hatten sie sich das Geld geliehen. Noch deutlicher wurde der Sachverhalt, als Frugi eine dritte Serie Wachstafeln vor uns ausbreitete, nämlich die mit den Eingangsbelegen des Steuerpächtersyndikats. An den gleichen Tagen waren exakt die gleichen Beträge von einer
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