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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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ich brauche, ist Hilfe. Wer ist bereit, mir bei der Abschrift dieser Dokumente zu helfen, damit ich sie nach Rom bringen und dieses Schwein Verres für seine Verbrechen gegen das sizilische Volk zur Rechenschaft ziehen kann?«
    Unzählige Hände schossen in die Höhe. Metellus versuchte für Ruhe zu sorgen, doch seine Worte gingen im Lärm der hilfswilligen Menge unter. Zusammen mit Flavius suchte Cicero die angesehensten Männer der Stadt aus - Sizilier wie Römer - und bat sie, nach vorn zu kommen, wo jeder Freiwillige ein Dokument sowie eine Wachstafel und einen Griffel ausgehändigt bekam. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Carpinatius verzweifelt versuchte, durch die Menge zu Metellus vorzudringen, und wie Melius selbst mit verschränkten Armen vor seinem erhöhten Sitzplatz stand und wütend auf das Chaos in seiner Gerichtsverhandlung hinunterblickte. Schließlich drehte er sich abrupt um, ging eilig die Stufen hinauf und verschwand in dem Tempel hinter ihm.
    Und damit endete Ciceros Sizilienreise. Sicher hätte Metellus nichts lieber getan, als Cicero festzunehmen oder ihn zumindest am Abtransport der Beweismittel zu hindern. Aber Cicero hatte schon zu viele Menschen aus der römischen wie sizilischen Bürgerschaft auf seine Seite gezogen. Hätte Metellus ihn festgesetzt, hätte das einen Aufstand verursacht. Und er verfügte nicht, das hatte er selbst gesagt, über genügend Soldaten, um die gesamte Bevölkerung in Schach zu halten. Am Spätnachmittag waren die Abschriften der Dokumente beglaubigt und versiegelt und wurden auf unser bewachtes Schiff im Hafen gebracht, wo sie neben den schon verladenen Truhen mit den anderen Beweisstücken verstaut wurden. Cicero blieb noch eine Nacht auf der Insel, während der er an einer Aufstellung mit den Namen der Zeugen arbeitete, die er in Rom zu präsentieren gedachte. Lucius und Frugi hatten sich bereit erklärt, in Syrakus zu bleiben, um deren Reise vorzubereiten.
    Am nächsten Morgen kamen die beiden an die Anlegestelle, um sich von Cicero zu verabschieden. Im Hafen drängelte sich schon eine jubelnde Menge, an die Cicero letzte Worte des Dankes richtete. »Ich bin mir bewusst, dass ich im Bauch dieses zerbrechlichen Schiffes die Hoffnungen der ganzen Provinz mit mir führe. Ich werde alles für euch tun, was in meiner Macht steht, ich werde euch nicht im Stich lassen.« Dann half ich ihm an Deck, wo er sich mit tränennassen Augen zu den Menschen umwandte. Ich wusste natürlich, dass er als der vollendete Schauspieler, der er war, jede Emotion nach Belieben abrufen konnte, aber an diesem Tag waren seine Gefühle echt, da bin ich mir sicher. Wenn ich jetzt an diesen Tag zurückdenke, frage ich mich, ob er ahnte, dass er die Insel nie mehr betreten würde. Die Ruder senkten sich ins Wasser, und das Schiff löste sich von der Kaimauer. Die Gesichter an der Anlegestelle verschwammen, die Gestalten wurden kleiner und verschwanden schließlich ganz. Langsam glitt das Schiff durch den den Hafen hinaus in die Meerenge.

KAPITEL VIII
     
    Die Rückreise von Regium nach Rom - diesmal ganz auf dem Landweg - war angenehmer als die Hinreise. Der Frühling war inzwischen angebrochen, auf dem Festland war es mild und freundlich. Nicht dass wir viel Gelegenheit hatten, uns an den Vögeln und Blumen zu erfreuen, denn Cicero arbeitete praktisch ununterbrochen. Er saß hinten im Wagen, mit einem Polster im Rücken, und entwarf trotz des ständigen Geschaukels ein Gerüst für den Prozess gegen Verres. Wenn er Dokumente aus dem Gepäckwagen brauchte, holte ich sie ihm, und wenn er mir diktierte, trabte ich neben dem Wagen her, was ziemlich mühsam war. Falls ich es richtig verstand, hatte er vor, die Masse an Beweisen auf vier separate Anklagepunkte zu verteilen - Bestechlichkeit als Richter, Erpressung bei der Eintreibung von Steuern und offizieller Abgaben, Plünderung von privatem und städtischem Besitz und schließlich gesetzwidrige und tyrannische Bestrafungen. Entsprechend sortierte er Zeugenaussagen und Beweisstücke. Außerdem begann er schon mit der Abfassung ganzer Passagen seiner Eröffnungsrede. (All das erledigte er ungeachtet des ständig schaukelnden Wagens. Er hatte nämlich nicht nur seinen Körper dafür ausgebildet, dass er den Belastungen seines Ehrgeizes standhielt, er hatte es auch durch schiere Willensanstrengung geschafft, sich von seiner Reisekrankheit zu kurieren. Im Lauf der Jahre erledigte er Unmengen an Arbeit, während er kreuz und quer durch Italien

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