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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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bevorzugte Hinrichtungsart die mit dem Würgeeisen.) Hier war auch die Gefängnisverwaltung untergebracht, falls man die als solche bezeichnen wollte. Man brachte uns Körbe mit feuchten, vermoderten Papyrusrollen, auf denen die Namen der Gefangenen sowie die Daten für Anfang und Ende der Haftzeit verzeichnet waren. Manche Männer waren als entlassen aufgeführt, doch hinter den Namen der meisten stand das gekritzelte sizilische Wort edikaiothesan, was hieß: »Todesstrafe vollstreckt«.
    »Ich will den Namen von jedem Zugang während der drei Jahre, als Verres Statthalter war«, sagte er zu mir. Und zum Hauptmann: »Und du wirst mir hinterher mit deiner Unterschrift die Korrektheit der Angaben bestätigen.«
    Während ich mich mit meinen beiden Gehilfen an die Arbeit machte, suchten Cicero und Lucius in den Listen nach römischen Namen. Obwohl die meisten Gefangenen in den »Steinbrüchen« während Verres ' Amtszeit offenbar Sizilier gewesen waren, fanden sich auch viele Namen von Männern, die aus anderen Regionen des Mittelmeerraumes stammten: aus Spanien, Ägypten, Syrien, Kilikien, Kreta, Dalmatien. Als Cicero nach dem Grund ihrer Einkerkerung fragte, hieß es, sie seien Piraten gewesen - Piraten und Spione. Alle waren als »zum Tode verurteilt« aufgeführt, darunter auch der berüchtigte Piratenkapitän Heraclio. Die römischen Bürger unter den Gefangenen jedoch waren als »entlassen« verzeichnet - auch die beiden Männer aus Spanien, Publius Gavius und Lucius Herennius, von deren Hinrichtungen man uns erzählt hatte.
    »Diese Aufzeichnungen sind Unsinn«, sagte Cicero leise zu Lucius. »Sie können nur falsch sein. Kein Mensch hat gesehen, wie Heraclio hingerichtet worden ist, dabei ist die Kreuzigung eines Piraten ein Schauspiel, das sich niemand entgehen lässt. Die Hinrichtung der beiden Römer haben jede Menge Leute gesehen. Sieht ganz so aus, als hätte Verres die beiden einfach ausgetauscht - die Mannschaften der Schiffe hat er töten lassen und die Piraten gegen ein fettes Lösegeld freigelassen. Wenn Gavius und Herennius ihm auf die Schliche gekommen sind, dann würde das erklären, warum Verres es so eilig damit hatte, sie hinzurichten.«
    Lucius sah aus, als müsste er sich gleich übergeben. Den Sprung vom Studium philosophischer Bücher im sonnigen Rom zum Studium von Todeslisten beim Schein tropfender Kerzen zwischen nassen Felswänden fünfundachtzig Fuß unter der Erde musste man erst einmal verkraften. Wir beendeten unsere Arbeit, so schnell wir konnten. Nie war ich erleichterter gewesen, einen Ort verlassen zu können, als in dem Augenblick, als wir durch den Tunnel nach oben stiegen und in die Welt der Menschen zurückkehrten. Ich erinnere mich an diesen Nachmittag, als wäre es gestern und nicht vor über einem halben Jahrhundert gewesen. Eine leichte, von See hereinwehende Brise war aufgekommen, und wir stellten uns instinktiv mit dem Gesicht zum Wind und atmeten dankbar die kühle, klare Luft ein.
    »Eins musst du mir versprechen«, sagte Lucius. »Solltest du jemals das Imperium innehaben, nach dem du dich so sehnst, dann darfst du solche Unmenschlichkeit, solches Unrecht niemals zulassen.«
    »Ich schwöre es«, erwiderte Cicero. »Und versprich du mir, mein lieber Lucius, solltest du dich jemals fragen, warum rechtschaffene Männer der Philosophie entsagen und nach Macht in der realen Welt streben, dass du dich immer daran erinnern wirst, was du in den Steinbrüchen von Syrakus gesehen hast.«
     

     
    Zu dieser Zeit - es war später Nachmittag, als wir die Steinbrüche verließen - herrschte dank Ciceros Aktivitäten große Aufregung in Syrakus. Die Menschenmenge, die uns den steilen Weg hinauf zum Gefängnis gefolgt war, nahm uns vor den Mauern von Epiolae wieder in Empfang. Sie war sogar noch größer geworden, da sich ihr einige der angesehensten Bürger der Stadt angeschlossen hatten, darunder der Oberpriester des Jupiter, der eigens seine geweihte Robe angelegt hatte. Dieses hohe geistliche Amt, das traditionell dem ranghöchsten Bürger von Syrakus vorbehalten war, hatte zu jener Zeit niemand anderer als Ciceros Klient Heraclius inne, der aus eigenem Entschluss und unter beträchtlichem persönlichem Risiko aus Rom angereist war, um uns zu unterstützen. Er bat Cicero im Namen des städtischen Senats, ihn umgehend in die Stadt zu begleiten, damit ihn die Honoratioren förmlich willkommen heißen konnten.
    Cicero wusste nicht recht, was er tun sollte. Er hatte noch viel

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