Imperium
Person namens »Gaius Verrucius« wieder beim Syndikat eingezahlt worden. Die Identität des Einzahlers war so primitiv gefälscht worden, dass wir alle lachen mussten. Offensichtlich hatte der ursprüngliche Name »Gaius Verres« gelautet. Man hatte einfach die letzten beiden Buchstaben weggekratzt und durch »ucius« ersetzt.
»Verres hat also eine bestimmte Bestechungs-summe gefordert«, sagte Cicero, dem man die Erregung jetzt deutlich anmerkte, »und hat obendrein von seinem Opfer verlangt, dass er sich das nötige Bargeld bei Carpinatius leiht, und das sicher zu einem horrenden Zinssatz. Dann hat er das Geld bei seinen Steuerpächterfreunden reinvestiert. Damit war sein Kapital nicht nur geschützt, es hat auch noch Profit abgeworfen! Ein gerissener Schurke! Gerissen, gierig und dumm!« Er legte ein kleines Freudentänzchen hin, schlang dann die Arme um den verlegenen Frugi und küsste ihn herzhaft auf beide Wangen.
Ich kann versichern, dass von all seinen Triumphen im Gerichtssaal der am nächsten Tag gewiss zu seinen süßesten gehörte - vor allem, weil er juristisch gar kein Sieg, sondern eine Niederlage war. Er wählte die für Rom bestimmten Beweisstücke aus, die Lucius, Frugi, Sositheus, Laurea und ich in Körben hinunter aufs Forum von Syrakus trugen, wo Metellus seinen Richterstuhl hatte aufstellen lassen. Eine riesige Menge Einheimischer war zusammengeströmt. Carpinatius saß schon auf seinem Stuhl und wartete auf uns. Er hielt sich für einen ziemlich gewieften Anwalt und präsentierte seinen Fall, indem er alle relevanten, seine These stützenden Gesetzesbestimmungen und Präzedenzfälle zitierte, dass nämlich Steuerunterlagen einer Provinz nicht beschlagnahmt werden dürfen. Ganz allgemein versuchte er den Eindruck zu erwecken, er sei nichts weiter als das gedemütigte Opfer eines übermächtigen Senators geworden. Cicero stand mit gesenktem Kopf da und spielte den Niedergeschlagenen so herrlich, dass ich mir nur mit Mühe das Lachen verkneifen konnte. Als er sich schließlich erhob, entschuldigte er sich für seine Handlungsweise, gestand sein Unrecht vor dem Gesetz ein, bat den Statthalter um Vergebung und versprach freudig, die Unterlagen an Carpinatius zurückzugeben, wobei - und hier machte er eine kurze Pause - es da allerdings eine kleine Sache gebe, die er nicht ganz verstünde und für dessen Klärung er sehr dankbar wäre. Er nahm eine der Wachstafeln in die Hand und betrachtete sie mit verwirrtem Gesichtsausdruck. »Wer ist eigentlich Gaius Verrucius?«
Der bis dahin zufrieden lächelnde Carpinatius sah von einer Sekunde auf die andere aus, als hätte man ihm aus kürzester Entfernung einen Pfeil in die Brust geschossen. Cicero verwies nun - mit einem Ausdruck der Verblüffung, als hätte er es hier mit einem Rätsel zu tun, das seinen Verstand bei weitem übersteige - auf die zufällige Übereinstimmung von Namen, Daten und Beträgen in den Unterlagen des Steuerpächtersyndikats und der vom Syrakuser Senat geführten Liste mit den Bestechungsopfern.
»Und da ist noch ein Punkt«, sagte Cicero in freundlichem Tonfall zu Carpinatius. »Dieser Herr, mit dem du so rege Geschäftsbeziehungen gepflegt hast, taucht in deinen Unterlagen erst auf, als sein Fast-Namensvetter Gaius Verres in Sizilien eingetroffen war. Und er taucht gar nicht mehr auf, nachdem Gaius Verres die Insel wieder verlassen hatte. Aber in den drei Jahren von Verres ' Amtszeit war er dein größter Kunde.« Er hielt die Abrechnungen in die Höhe und zeigte sie den Zuschauern. »Und es ist sicher ein dummer Zufall - hier, seht! -, dass dem Sklaven, der deine Berichte kopiert, immer der Schreibgriffel verrutscht ist, wenn er seinen Namen geschrieben hat. Naja, was soll ' s. Ich bin sicher, das hat nichts zu bedeuten. Aber vielleicht kannst du dem Gericht jetzt einfach mitteilen, wer dieser Verrucius ist und wo man ihn finden kann.«
Carpinatius schaute hilflos zu Metellus, als jemand aus der Zuschauermenge rief: »Den gibt ' s gar nicht!« Und ein anderer schrie: »Einen Verrucius hat ' s in Sizilien nie gegeben! Das ist Verres!« Und die Menge fing an zu skandieren: »Verres! Verres! Verres!«
Cicero hob eine Hand, und die Menge verstummte. »Carpinatius behauptet, dass ich keine Dokumente der Provinz beschlagnahmen darf. Ich gebe zu, nach dem Gesetz hat er recht. Aber an keiner Stelle in den Gesetzen steht, dass ich keine Abschriften machen kann, solange sie korrekt sind und ordnungsgemäß beglaubigt werden. Was
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