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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Senatoren auf der Geschworenenbank saßen wie erstarrt da - die meisten, da bin ich mir sicher, wünschten sich, sonst wo zu sein, nur nicht hier. Einzelne Zuschauer mussten von den Liktoren daran gehindert werden, das Podium des Gerichts zu stürmen. Schließlich gelang es Glabrio, die Ordnung wiederherzustellen, und Cicero setzte seine Rede in deutlich gelassenerem Tonfall fort.
    »Folgenden Plan haben sie sich zurechtgelegt. Heute sind wir erst spät am Nachmittag in die Verhandlung eingetreten - den Tag können sie also schon als erledigt abschreiben. Bis zu den Spielen von Pompeius Magnus bleiben noch zehn Tage. Diese dauern fünfzehn Tage, sofort darauf folgen die Römischen Spiele. Sie rechnen also mit einer Unterbrechung von fast vierzig Tagen, bevor sie auf meine Rede werden antworten müssen. Mithilfe langer Reden und verfahrenstechnischer Manöver hoffen sie dann, in der Lage zu sein, die Verhandlung bis zum Beginn der Spiele der Victoria zu verschleppen. Direkt im Anschluss folgen die Plebejischen Spiele, nach denen entweder nur noch sehr wenige oder gar keine Sitzungstage mehr bleiben. Auf diese Weise, so ihr Kalkül, wird die Anklage um ihre Kraft und Wirkung gebracht, und die Sache kommt praktisch als neuer Fall zur Verhandlung, wenn Marcus Metellus, der jetzt noch zu den Geschworenen gehört, diesem Gericht Vorsitzen wird.
    Was also soll ich tun? Wenn ich die Zeit in Anspruch nehme, die mir für meine Anklagerede nach dem Gesetz zusteht, dann laufe ich höchste Gefahr, dass mir der Angeklagte entwischt. ›Streich deine Rede zusammen!‹, lautete der naheliegende Rat, den man mir erst vor wenigen Tagen gegeben hat. Ein guter Rat. Ich habe darüber nachgedacht, und dabei ist mir etwas noch Besseres eingefallen. Meine Herren, ich werde auf die Anklagerede ganz verzichten!«
    Verblüfft hob ich den Kopf. Cicero schaute Hortensius an, und sein Rivale erwiderte den Blick mit herrlich versteinertem Gesichtsausdruck. Er sah aus wie ein Mann, der gerade noch fröhlich und unbeschwert durch den Wald spaziert ist, dann plötzlich das Knacken eines Zweiges hört und starr vor Angst stehen bleibt.
    »Du hast richtig gehört, Hortensius«, sagte Cicero. »Ich spiele dein Spiel nicht mit. Ich werde die nächsten zehn Tage nicht mit der üblichen langen Anklagerede vergeuden und zulassen, dass sich der Fall bis in den Januar hineinzieht und du und Metellus als Konsuln eure Liktoren losschicken könnt, um sich meine Zeugen zu holen und ihnen so viel Angst einzujagen, dass sie den Mund nicht mehr aufmachen. Ich werde euch, ehrenwerte Pächter, nicht den Luxus von vierzig Ruhetagen gönnen, in denen ihr all meine Anklagepunkte wieder vergessen und euch dann samt eures Gewissens im Labyrinth von Hortensius ' Rhetorik verlieren könnt. Ich werde es nicht zulassen, dass der Fall erst dann entschieden wird, wenn die Menschenmassen, die wegen der Volkszählung und der Spiele nach Rom gekommen sind, sich wieder in ihre Heimatorte in alle Winkel Italiens verabschiedet haben. Ich werde meine Zeugen jetzt sofort aufrufen und dabei folgendermaßen vorgehen: Ich verlese den jeweiligen Anklagepunkt, kommentiere ihn und ziehe meine Schlussfolgerungen. Dann werde ich meinen Zeugen für diesen Anklagepunkt aufrufen und befragen. Im Anschluss daran erhältst du, Hortensius, Gelegenheit für Kommentar und Kreuzverhör. Auf diese Weise werde ich den Fall binnen zehn Tagen abhandeln.«
    Mein Leben lang habe ich nicht vergessen - und werde es auch für die kurze mir noch verbleibende Spanne meines Lebens nicht vergessen -, wie Hortensius, Verres, Metellus und Scipio Nasica auf diese Worte reagierten. Natürlich war Hortensius sofort auf den Beinen und erklärte dieses mit jeder Tradition brechende Vorgehen für in jeder Hinsicht illegal. Glabrio hatte nur daraufgewartet und wies Hortensius barsch zurecht, dass es allein Ciceros Sache sei, wie er seinen Fall vortrage; außerdem habe er schon an gleicher Stelle vor den Konsulatswahlen deutlich gemacht, dass er die endlosen Reden satthabe. Auf diese Bemerkung, die sich Glabrio offensichtlich schon im Vorhinein zurechtgelegt hatte, sprang Hortensius wieder auf und beschuldigte ihn geheimer Absprachen mit der Anklagevertretung. Worauf Glabrio, den als reizbaren Charakter zu beschreiben wohlwollend gewesen wäre, ihm schroff riet, er möge seine Zunge im Zaum halten, sonst ließe er ihn - designierter Konsul hin oder her - von seinen Liktoren aus dem Gericht entfernen. Hortensius setzte sich,

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