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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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übernommen hättest. Und dass es dich nicht interessiere, wie viel er mir geraubt habe, kein Gericht würde einem Sizilier glauben, wenn sein Wort gegen das eines Römers stünde.«
    Hortensius musste sich mit seiner Antwort gedulden, bis die über ihn hereinbrechenden Buhrufe und Pfiffe wieder verstummt waren. »Ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen«, sagte er mit verbissener Stimme, worauf die Verhandlung bis zum folgenden Tag unterbrochen wurde.
     

     
    Ursprünglich hatte ich geplant, den Prozess gegen Gaius Verres in allen Einzelheiten zu schildern, sehe nun aber, da ich seinen Beginn zu Papier gebracht habe, keinen Sinn mehr darin. Nach Ciceros taktischem Geniestreich vom ersten Tag erschienen mir Verres und seine Anwälte wie die Opfer einer Belagerung: eingeschlossen in einer kleinen Festung, rundum von Feinden umgeben, tagtäglich unter Dauerbeschuss, die bröckelnden Mauern von Tunneln untergraben. Sie verfügten über keinerlei Waffen, um zurückzuschlagen. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dem Ansturm der restlichen neun Tage irgendwie zu widerstehen und sich während der folgenden, durch die Spiele des Pompeius erzwungenen Ruhephase wieder neu zu formieren. Ciceros Ziel lag ebenfalls klar auf der Hand: Verres ' Verteidigung so vollkommen zu zerstören, dass nach Darlegung des gesamten Falles kein noch so korrupter senatorischer Geschworener es wagen würde, ihn freizusprechen.
    Cicero nahm seine Mission mit der ihm eigenen Disziplin in Angriff. Die Mannschaft der Anklagevertretung kam jeden Morgen noch vor Sonnenaufgang zusammen. Während Cicero seine Leibesübungen machte, sich rasierte und ankleidete, las ich ihm die Aussagen der für den Tag vorgesehenen Zeugen vor und sah mit ihm die Beweismittel durch. Dann diktierte er mir in groben Zügen, was er vorzutragen gedachte. Die nächsten ein oder zwei Stunden ging er alle Punkte durch, legte sich dazu Anmerkungen zurecht und prägte sich diese genau ein, während Quintus, Frugi und ich dafür zu sorgen hatten, dass alle seine Zeugen und alle Kisten mit den Beweisstücken abmarschbereit waren. Und dann paradierten wir den Hügel hinunter aufs Forum - und was für Paraden das waren! In Rom herrschte nämlich allgemein die Meinung, dass Ciceros Gerichtsvorstellung die beste Veranstaltung in der Stadt war. Am zweiten und dritten Tag war die Zuschauermenge so groß wie am ersten, und die Auftritte der Zeugen, die bei der Schilderung ihrer Misshandlungen nicht selten in Tränen ausbrachen, waren oft herzzerreißend. In besonders guter Erinnerung sind mir Dio aus Halaesa, den man um zehntausend Sesterzen betrogen hatte, und zwei Brüder aus Agyrium, die ihr gesamtes Erbe in Höhe von viertausend Sesterzen abliefern mussten. Es hätte noch mehr Zeugen gegeben, aber Lucius Metellus hatte einige von ihnen am Verlassen der Insel gehindert, darunter auch Heraclius aus Syrakus - ein Frevel an der Gerechtigkeit, den Cicero elegant in einen Vorteil verwandelte. »Unsere Verbündeten«, donnerte Cicero, »haben nicht einmal das Recht, wegen ihres erlittenen Unrechts Klage zu führen!« Erstaunlicherweise sagte Hortensius kein einziges Wort zu all den Anschuldigungen. Jedes Mal, wenn Cicero die Befragung eines Zeugen beendete, gab Glabrio dem König der Gerichtshöfe Gelegenheit, den Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen, doch jedes Mal lehnte Ihre Majestät mit einem Kopfschütteln ab oder erklärte pompös: »Keine Fragen an den Zeugen.« Am vierten Tag stellte Verres den Antrag, aus Krankheitsgründen vom Erscheinen vor Gericht befreit zu werden, was Glabrio jedoch strikt ablehnte. Falls nötig, so Glabrio, werde man ihn samt seines Krankenlagers aufs Forum schaffen lassen.
    Am Nachmittag des fünften Tages kehrte Ciceros Vetter Lucius nach getaner Arbeit von Sizilien nach Rom zurück. Als Cicero ihn nach Ende des Prozesstages in seinem Haus antraf, war er außer sich vor Freude. Unter Tränen schloss er ihn in die Arme. Ohne Lucius, der permanent für Nachschub an Zeugen und Beweismitteln von Sizilien aufs Festland gesorgt hatte, wäre Ciceros Fall nicht halb so solide gewesen. Allerdings hatte die siebenmonatige Strapaze bei Lucius, der noch nie einer der Widerstandsfähigsten gewesen war, seine Spuren hinterlassen. Er war auf bestürzende Weise abgemagert und litt an einem Husten, der ihm augenscheinlich große Schmerzen bereitete. Trotzdem war sein Einsatz für die Sache, Verres seiner gerechten Strafe zuzuführen, ungebrochen - und zwar so sehr, dass

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