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Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung

Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung

Titel: Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hirte
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Fieber treten bei 1 Prozent der Geimpften auf. Selten kommt es zu allergischen Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock ( CID 1985). Bei mehrmaliger Impfung mit Pneumovax 23 steigt das Risiko eines Arthusphänomens, einer sehr schmerzhaften Antigen-Antikörper-Reaktion an der Impfstelle. Eine Auffrischungsimpfung darf daher frühestens nach fünf Jahren, bei jungen Erwachsenen nach zehn Jahren erfolgen.
    Synflorix und Prevenar 13, die Impfstoffe für Kinder
    Als erster Pneumokokkenimpfstoff für Kinder in den ersten beiden Lebensjahren bekam 2001 Prevenar von Wyeth (heute Pfizer) die Zulassung. Er richtete sich gegen sieben Erregertypen. 2010 wurde er durch Prevenar 13 gegen 13 Erregertypen ersetzt – in den USA durch ein »Fast-track«-Verfahren, eine beschleunigte Zulassung, um dem europäischen Konkurrenten GSK die Stirn zu bieten: Dieser war 2009 mit dem Impfstoff Synflorix gegen zehn Erregertypen gestartet. Prevenar 13 enthält 0,125 Milligramm Aluminium, Synflorix 0,5 Milligramm.
    Frühester Impfzeitpunkt ist der dritte Lebensmonat. Laut Beipackzettel sind in diesem Alter vier Dosen, bei Erstimpfung ab dem siebten Monat drei Dosen, bei Erstimpfung ab dem dreizehnten Monat zwei Dosen notwendig. Studien aus den USA und Kanada zeigen allerdings, dass man von diesem Schema ohne signifikanten Wirkungsverlust abweichen kann (Whitney 2006, Vesterheim 2008, Deceuninck 2010). Zwei Dosen im ersten Lebensjahr sind demnach ausreichend, im zweiten Lebensjahr soll die Immunisierung mit einer dritten Dosis komplettiert werden. Bei Impfbeginn nach dem ersten Geburtstag würde sogar eine einzige Injektion genügen.
    Das 2+1-Impfschema im Alter von zwei, vier und zwölf Monaten ist in den skandinavischen Ländern, in Italien, Österreich und der Schweiz empfohlen. In der Schweiz wird die Pneumokokkenimpfung als »ergänzende Impfung« von der obligaten Krankenpflegeversicherung übernommen. Das österreichische Gesundheitssystem zahlt nur für den Impfstoff Synflorix. Dieser ist zwar billiger als Prevenar 13, enthält aber deutlich mehr Aluminium und ist weniger wirksam. In Deutschland soll die Pneumokokkenimpfung noch viermal erfolgen: im Alter von zwei, vier, sechs und zwölf bis 14Monaten.
    Mit der Impfempfehlung erhoffen sich die Behörden eine Verringerung der Krankheitsfälle und einen gewissen Herdeneffekt, also den Schutz auch der Ungeimpften. Die deutsche STIKO geriet mit ihrer Empfehlung rasch in die Kritik. Das
arznei-telegramm
wandte ein, dass ein Teil der Daten, auf die sich die Impfempfehlung beruft, nicht öffentlich zugänglich sei (
AT
2006). Außerdem sei bei der Mehrzahl der Pneumokokkenerkrankungen in Deutschland der Typ überhaupt nicht bestimmt worden, so dass die Grundlage für eine Impfempfehlung mit Prevenar fehle. Auch das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation kritisierte, dass die STIKO aufgrund fehlender eigener Untersuchungen einfach Daten aus Kalifornien und Finnland auf Deutschland übertragen habe, was eine Methode mit großer Unsicherheit sei (Antony 2005).
    Durch die Pneumokokken-Impfempfehlung werden dem Gesundheitssystem enorme finanzielle Belastungen aufgebürdet: Der Preis für die vier Impfdosen liegt bei Synflorix zwischen 210 und 260 Euro, bei Prevenar 13 zwischen 260 und 320 Euro. Pro Jahr sind also 120 bis 180 Millionen Euro aufzuwenden, um 80 Prozent aller Säuglinge zu impfen und nach dem optimistischsten Szenario zehn Todesfälle und 30 Folgeschäden in dieser Altersgruppe zu verhindern.
    Niederländische Gesundheitsökonomen errechneten zumindest für den früheren Prevenar-Impfstoff ein fragliches Kosten-Nutzen-Verhältnis. In allen bisherigen Berechnungen sei außerdem der durch die Impfung verursachte Typenwechsel nicht berücksichtigt worden (Rozenbaum 2010).
    2004 hatte auch das deutsche Gesundheitsministerium einen Bericht zur ökonomischen und medizinischen Effektivität der Pneumokokkenimpfung angefordert. Der Bericht kam zu dem Schluss, dass aus ökonomischer Sicht keine Empfehlung zur generellen Aufnahme der Impfung in den Impfkalender gegeben werden könne. Für die gesetzlichen Krankenkassen sei die Impfung nicht kosteneffektiv. Aus medizinischer Sicht sei eine allgemeine Pneumokokkenimpfung nur dann zu empfehlen, wenn man das gesundheitspolitische Ziel verfolgt, die Resistenzen der Pneumokokken gegen Antibiotika nicht anwachsen zu lassen. Hier gebe es jedoch derzeit keinen Handlungsbedarf, sondern die Situation solle vorerst weiter beobachtet

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