Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
vielen Ländern inzwischen in Eigenregie produziert werden. Dies bläht das Gesundheitsbudget ärmerer Staaten auf das Mehrfache auf, ohne einen echten Gewinn an Lebensqualität zu bringen (Wulf 2003).
Während in Indien beispielsweise höchstens die Hälfte aller Kinder gegen die fünf häufigsten Krankheiten (Diphtherie, Masern, Keuchhusten, Polio, Tetanus) geimpft sind, hat die Regierung auf Druck von GAVI die generelle Impfung gegen Hepatitis B eingeführt und die Masernimpfung durch die fast dreimal so teure MMR -Impfung ersetzt. Die hohen Kosten dieser Impfstoffe wirken sich verheerend auf die Finanzierung der wichtigsten Grundimpfungen aus und verschlingen Ressourcen, die für die Gesundheitsentwicklung von der Basis her benötigt werden. Einfache Maßnahmen mit hoher Wirksamkeit – etwa sauberes Wasser und Kanalisation, um das Durchfallrisiko zu verringern – kommen unter solchen Umständen zu kurz:
»Letztlich wird die Entwicklung von Impfstoffen oder Internet für Schulen – ohne eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen oder ohne eine demokratische Entscheidungsfindung – eine technologische Flickschusterei bleiben, die keine dauerhafte oder vielen zugutekommende Verbesserung der gesundheitlichen Lage bringen wird … So verführerisch hochentwickelte Gesundheitstechnologien auch sein mögen, sie können das Leben der Menschen, die täglich mit weniger als zwei US $ am Tag auskommen müssen, nicht ändern« (Birn 2006).
Anlässlich des Besuchs von Bill Gates 2010 in Deutschland ließ die Organisation »Ärzte ohne Grenzen« verlautbaren, Deutschland müsse darauf bestehen, »dass bei GAVI Interessenkonflikte aufgelöst werden und Transparenz hergestellt wird. Es ist nicht akzeptabel, dass die Pharmaindustrie als Hauptauftragnehmer von GAVI selbst im Verwaltungsrat sitzt.«
Das Deutsche Grüne Kreuz
Ein starker privater Verbreiter des Impfgedankens in Deutschland ist das Grüne Kreuz, eine dem Etikett nach »gemeinnützige Vereinigung (e.V.) zur Förderung der gesundheitlichen Vorsorge und Kommunikation in Deutschland«. Es erfüllt über diverse Tochterfirmen die Marketingwünsche zahlreicher Kunden aus der Pharmaindustrie und betreibt eine intensive Medienarbeit in Tageszeitungen, Rundfunk und Fernsehen. Pro Jahr werden bis zu 1500 Radiosendungen und 200 Fernsehsendungen koproduziert, zudem wöchentliche Gesundheitskolumnen in über 70Tageszeitungen (
FT
2008). Im wissenschaftlichen Beirat des Grünen Kreuzes sitzt auch der derzeitige STIKO -Vorsitzende Jan Leidel.
Das Grüne Kreuz steht dem weltgrößten Impfstoffhersteller Sanofi-Aventis nahe und geriet in die Schlagzeilen unter anderem im Zusammenhang mit Schmiergeldern für Pharmapromotion im Fernsehen (
Spiegel
2000, 33). Im Mai 2003 veranstaltete das Grüne Kreuz bundesweit die »Erste Nationale Impfwoche«, eine groß angelegte Impfkampagne, die von vier großen Impfmultis (Aventis Pasteur MSD , Baxter, Chiron Behring, Wyeth) gesponsert wurde: »Innerhalb einer Woche 1500 Berichte in Printmedien und Nachrichtenagenturen, dazu mehrere hundert Beiträge im Radio und vor allem 170 Fernsehsendungen zum Thema Impfen: Das ist die – vorläufige – Medienbilanz der Impfwoche, auf die wir stolz sind.« Deutlicher kann das aktive Eingreifen der Pharmaindustrie in die Gesundheitspolitik gar nicht mehr zum Ausdruck kommen. Im Zusammenhang mit der Einführung der HPV -Impfung organisierte das Grüne Kreuz eine vom Gardasil-Hersteller Sanofi mit Millionenbeträgen gesponserte Medienkampagne.
Nach Recherchen des
arznei-telegramms
lässt sich das Grüne Kreuz seine Aktionen von Firmen bezahlen, weist diese dabei aber nicht als Sponsoren aus, verschleiert also finanzielle Zusammenhänge und deren Größenordnung (
AT
2009a).
Das Grüne Kreuz arbeitet auch mit dem Deutschen Kaffeeverband e.V. zusammen und wird nicht fertig, auf seiner Website die gesundheitsfördernde Wirkung von Kaffee zu loben. Bis zur Insolvenz von fünf Tochtergesellschaften konnte man über den Onlineshop des Grünen Kreuzes sogar dubiose Gesundheitsprodukte kaufen. Ein schlechter Witz, dass die Organisation immer noch als gemeinnützig anerkannt ist.
Impfempfehlungen und Medizinrecht
Von offiziellen Stellen wird immer wieder der »Leitlinien«-Charakter der STIKO -Empfehlungen betont. Leitlinien haben jedoch nur die Funktion von Orientierungshilfen und keine rechtsverbindliche Wirkung. Daher war das Urteil des Deutschen Bundesgerichtshofs vom
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