Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
Kinderkrankheiten, insbesondere Masern, Röteln und Mumps, führt anscheinend im späteren Leben zu einem verminderten Krebsrisiko, einschließlich Morbus Hodgkin, Brustkrebs und Lymphknotenkrebs (Albonico 1998, Glaser 2005, Montella 2006). Auch die multiple Sklerose ist bei Menschen seltener, die in der Kindheit Masern hatten (Kesselring 1990).
Die Politik der Masernausrottung
Die WHO hat zur Ausrottung der Masern aufgerufen. Zur Erreichung dieses Ziels ist eine mindestens 95-prozentige Durchimpfung der Bevölkerung notwendig. Dies erfordert einen sehr starken Druck auf Ärzte und Eltern, sich ohne Wenn und Aber der Impfempfehlung anzuschließen: »Entscheidende Fortschritte im Interventionsprogramm erfordern Impfraten von mindestens 95 % im frühen Kindesalter und setzen eine hohe Bereitschaft zur Unterstützung in der Bevölkerung und innerhalb der Ärzteschaft voraus« ( RKI 2006).
Die Realisierbarkeit der weltweiten Ausrottung der Masern ist mehr als fraglich. Gerade Länder mit hoher Masernsterblichkeit haben zu wenig organisatorische und finanzielle Ressourcen, um die notwendige hohe Durchimpfungsrate zu erreichen – obwohl über die UNICEF Impfstoffe zum Preis von weniger als einem Dollar pro Dosis erhältlich sind. Ein großes Problem ist allein schon die Sicherung der Kühlkette, da der Impfstoff wärmeempfindlich ist.
Die Senkung der Sterblichkeit durch Masern in den ärmeren Ländern des Südens ist aber auch schon ein lohnendes Zwischenziel. Von 1999 bis 2007 stieg die weltweite Durchimpfungsrate gegen Masern von 71 auf 77 Prozent (Afrika: 68 Prozent). Das führte zu einer Abnahme der Todesfälle auf weniger als die Hälfte. Die Propagierung der teuren MMR -Impfung durch die »Global Alliance on Vaccines and Immunization« beispielsweise in Indien ist jedoch wegen der zusätzlichen Kosten eher kontraproduktiv.
Ein großes Hindernis für die Masernausrottung ist die Tatsache, dass das Masernvirus auch bei weitgehender »Durchimpfung« zirkuliert und sogar von Geimpften auf Geimpfte übertragen werden kann (Damien 1998). Inzwischen wurde auch entdeckt, dass Fledermäuse ein Reservoir für Masern- und Mumpsviren bilden und daher eine Ausrottung beider Viren illusorisch ist ( DLF 2012). Ein Stopp des Impfprogramms wäre also selbst bei anscheinendem Verschwinden der Masernerkrankung gefährlich. Insofern hängt, wie der Homöopath Hans-Jürgen Achtzehn sarkastisch anmerkt, die ganze Welt wie ein »Impfjunkie« am Tropf der Pharmaindustrie (Achtzehn 1998).
In den reichen, demokratisch regierten Ländern des Nordens sind die zur Masernausrottung erforderlichen Impfraten nur durch intensive Kampagnen und Eingriffe in die persönliche Freiheit – zum Beispiel Impfpflicht, Quarantänemaßnahmen oder Überwachung der Immunitätslage in der Bevölkerung – zu erreichen.
In Deutschland sind gegenwärtig 96 Prozent der Grundschüler einmal und 90 Prozent zweimal gegen Masern geimpft (
EB
2011). Die Impfquoten liegen also weiterhin zu niedrig, um wenigstens landesweit die Masern auszurotten. 2011 wurden in Europa annähernd 30000 Masernerkrankungen registriert, vor allem in Frankreich, Italien, Rumänien, Deutschland und Spanien. Aus den USA , von der Weltgesundheitsorganisation und von der deutschen »Arbeitsgemeinschaft Masern« kommen immer wieder Klagen über die schlechte Impfmoral in Europa, vor allem in Deutschland, Italien und Frankreich. Deutschland wurde auch schon mal als »Masernnotstandsgebiet« bezeichnet (
Spiegel
2000). Dabei hat sich herausgestellt, dass auch in den USA die Impfraten in vielen Staaten teilweise sehr niedrig liegen und dadurch immer wieder Masernausbrüche vorkommen.
Das deutsche Infektionsschutzgesetz sieht vor, in Fällen von Epidemien das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aufzuheben und Zwangsimpfungen durchzuführen (Paragraph 20, 6–7). Grundlage hierfür ist die mit diesem Gesetz eingeführte Meldepflicht von Masern. Die Möglichkeit, durch Zwangsmaßnahmen hohe Impfquoten durchzusetzen, ist die konsequente Fortsetzung einer Impfpolitik, die sich die Ausrottung von Krankheiten zum Ziel gemacht hat. Vorrang hat nicht mehr die umfassende Aufklärung und informierte Einwilligung des Einzelnen in die Impfmaßnahme, sondern die möglichst rasche und vollständige Durchimpfung der Bevölkerung. Die Presse leistet hier Beihilfe und scheut auch nicht davor zurück, Fotos von SSPE -Erkrankten zu veröffentlichen. Nebenwirkungen der Impfung und langfristige
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