Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
Immunität an.
Bereits bei der Diskussion über die Einführung der Impfung gab es gewichtige Gegenstimmen und ein Minderheitsvotum innerhalb der STIKO , das vor einem Verschieben der Röteln gerade in das problematische Erwachsenenalter warnte. Die Argumentationslinie war, dass eine Impfung für alle Kinder unnötig sei, da doch mehr als 90 Prozent der Frauen bis zur ersten Schwangerschaft Röteln durchgemacht hätten – man müsse nur bei allen jugendlichen Mädchen die Antikörper untersuchen und die ungeschützten impfen (Ehrengut 1974). Mit einem solchen Vorgehen wurde im Schweizer Kanton Uri auch ohne die Impfung im Kleinkindalter bei 96,5 Prozent der 18- bis 23-jährigen Frauen ein wirkungsvoller Schutz vor Röteln in der Schwangerschaft erzielt (Albonico 1991). Ökonomische Überlegungen behielten jedoch die Oberhand, denn diese Praxis ist aufwendiger und kostspieliger als die unterschiedslose »Durchimpfung« aller Kleinkinder gegen Masern, Mumps und Röteln.
Durch die intensive Impfkampagne bezüglich Masern ist auch die Impfrate der meist gleichzeitig verabreichten Rötelnimpfung in den letzten Jahren stark angestiegen. 2009 waren 95,7 Prozent der deutschen Schulanfänger einmal und 90,1 Prozent zweimal gegen Röteln geimpft.
Soll eine erwachsene Frau wegen fehlender Rötelnimmunität geimpft werden, so ist der beste Zeitpunkt die Regelblutung. Auch in den vier Wochen nach der Impfung sollte es zu keiner Schwangerschaft kommen. Bisher wurden zwar keine Embryopathien durch eine versehentliche Impfung einer Schwangeren bekannt, aber das Impfvirus wird auf den Fötus übertragen, und ein geringes Restrisiko ist nicht ausgeschlossen (Castillo-Solórzano 2011).
Der Test einer Schwangeren auf Rötelnimmunität erfolgt in Deutschland nur noch dann, wenn sie nicht zweimal gegen Röteln geimpft wurde: »Immunität … ist anzunehmen, wenn der Nachweis über zwei erfolgte Rötelnimpfungen vorliegt …« ( GBA 2011).
Eine Schwangere, die keinen Rötelnschutz hat und mit einem Erkrankten Kontakt hatte, kann weder durch eine nachträgliche Impfung noch durch Immunglobuline zuverlässig vor einem Krankheitsausbruch geschützt werden ( CDC 2010). Zur Sicherung der Diagnose müssen bei ihr die Röteln-Antikörper zweimal im Abstand von fünf oder mehr Tagen untersucht werden.
Nach Empfehlung der STIKO soll eine nicht immune Schwangere jeden Kontakt mit möglicherweise infizierten Personen vermeiden. Dazu gehört auch ein Beschäftigungsverbot in Risikoberufen, zum Beispiel in der Kinderbetreuung. Alle ungeimpften Kontaktpersonen sollen sich gegen Röteln impfen lassen.
Die Wirksamkeit der Rötelnimpfung
Die Rötelnimpfung hat eine zuverlässigere Wirksamkeit als die Impfungen gegen Masern, Mumps und Windpocken und schützt die große Mehrzahl der Geimpften ein Leben lang. Die Schutzwirkung ist jedoch nicht perfekt: Nach einer einmaligen Impfung liegt die Schutzquote bei durchschnittlich 95 Prozent ( WHO 2011). In der medizinischen Literatur gibt es Berichte über schwangere Frauen, die trotz einer einmaligen Impfung an Röteln erkrankten und Kinder mit Embryopathiesymptomen auf die Welt brachten (zum Beispiel Ushida 2003). Mögliche Ursachen von Impfversagen sind noch vorhandene mütterliche Antikörper bei einer Impfung im Säuglingsalter oder ein Infekt zum Zeitpunkt der Impfung.
Wenn mehr als 85 Prozent einer Bevölkerung mindestens einmal geimpft sind, werden Rötelnausbrüche sehr selten, und die Krankheit gilt offiziell als eliminiert. Nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation ist daher keine zweite Impfung notwendig ( WHO 2011). In Europa und den USA wird jedoch eine Zweitimpfung für sicherer gehalten. Sie steigert die Schutzquote auf 99 bis 100 Prozent.
Auch bei zweimal Geimpften kann der zunächst vorhandene Impfschutz wieder verloren gehen (»sekundäres Impfversagen«), vor allem in Ländern, in denen keine Boosterung durch zirkulierende Wildviren mehr stattfindet. In solchen Regionen haben bis zu 10 Prozent der Erwachsenen trotz zweimaliger Impfung keine nachweisbaren Röteln-Antikörper mehr im Blut (Kakoulidou 2008, LeBaron 2009). Viele haben zwar Gedächtniszellen, die im Ansteckungsfall schnell wieder schützende Antikörper ausschütten. Bei einigen kommt es jedoch zur »Reinfektion«, die oft ohne die typischen Rötelnsymptome verläuft und nur durch eine Laboruntersuchung aufgedeckt werden kann (Cusi 1993). Geschieht dies während einer Schwangerschaft, so beträgt das Risiko für eine
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