Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
sehr selten, vor allem im Kindesalter. Bei Jugendlichen oder Erwachsenen verursachen die Röteln häufig Gelenkbeschwerden oder Gelenkentzündungen. Selten (1:3000) kommt es zu Hautblutungen durch einen vorübergehenden Mangel an Blutplättchen, sehr selten zu meist milde verlaufenden neurologischen Komplikationen wie Nervenentzündungen oder Enzephalitis. Die Häufigkeit liegt unter 1:20000 (Sitzmann 1998).
Werden die Röteln vor der Pubertät durchgemacht, verringern sie wahrscheinlich das Risiko von Krebs und multipler Sklerose (Newhouse 1977, McGowan 1979, Kesselring 1990, Albonico 1998).
Die Rötelnembryopathie
Eine Rötelnerkrankung während der Schwangerschaft kann zur Infektion des Kindes im Mutterleib und zu seiner Schädigung, der Rötelnembryopathie führen. Das bedeutet schwere Missbildungen und Behinderungen des Kindes oder auch eine Fehlgeburt. Die Infektion des Fötus kann durch eine Laboruntersuchung des Fruchtwassers oder des Kindsblutes gesichert werden. Röteln in der Frühschwangerschaft sind die klassische medizinische Indikation für eine Schwangerschaftsunterbrechung.
Das Risiko für eine Embryopathie beträgt bei Röteln in den ersten elf Schwangerschaftswochen bis zu 90 Prozent. Im mittleren Schwangerschaftsdrittel kommen Schäden noch bei 25 bis 35 Prozent der Kinder vor ( RKI 2010). Typisch sind hier die drei Symptome Herzfehler, grauer Star und Schwerhörigkeit.
Bei Erkrankung zwischen der sechzehnten und zwanzigsten Schwangerschaftswoche ist noch bei bis zu 5 Prozent der Kinder mit Defekten vor allem am Innenohr zu rechnen. Mögliche Spätfolgen sind Diabetes und die Entwicklung eines Autismus.
Vor Einführung der Impfung waren über 90 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter mit Röteln »durchseucht« und hatten eine lebenslange Immunität (Ehrengut 1984). Dennoch wurde unter je 10000 Kindern eines mit Rötelnembryopathie geboren.
In den Entwicklungsländern lag die Zahl der Embryopathien Anfang dieses Jahrtausends bei geschätzten 100000 pro Jahr, ist aber seitdem durch Impfprogramme deutlich zurückgegangen ( WHO 2005, CDC 2010).
Die Rötelnimpfung
Im Jahr 1962 kam es in den westlichen Ländern zu einer Rötelnepidemie, die allein in den USA zu über zwölf Millionen Erkrankungen führte und in deren Verlauf mehr als 20000 geschädigte Kinder geboren wurden. Diese Epidemie war Anlass für die Entwicklung wirksamer Impfstoffe und für die Suche nach sinnvollen Impfstrategien. Anfang der siebziger Jahre wurden die ersten Rötelnimpfstoffe in Europa zugelassen. Sie bestehen aus abgeschwächten Lebendviren, die auf Zellkulturen von abgetriebenen menschlichen Föten gezüchtet sind. Weitere Inhaltsstoffe sind Gelatine und Antibiotika, meist Neomycin.
Der Rötelnimpfstoff ist in Europa nur noch in Kombination mit dem Masern-, Mumps- und evtl. auch Windpockenimpfstoff erhältlich ( MMR , MMRV ). Die Marktrücknahme der Einzelimpfstoffe gegen Mumps und Röteln (und gegen Masern in Deutschland und Österreich) macht es schwierig, individuelle Impfwünsche zu erfüllen. Mädchen sollten spätestens mit Beginn der Pubertät gegen Röteln geimpft werden und erhalten damit zwangsläufig auch die Mumpsimpfung. Der Masernschutz im Kleinkindalter ist mit (gegebenenfalls auch importierten) Einzelimpfstoffen möglich. .
Die STIKO empfiehlt die zweimalige Rötelnimpfung zu Beginn des zweiten Lebensjahres: die erste Impfung mit elf bis 14Monaten, die zweite mit 15 bis 23 Monaten. Ziel dieses Vorgehens ist es, die Röteln in Deutschland auszurotten. Der Rötelnimpfstoff soll in Kombination mit dem Masern-, Mumps- und Windpockenimpfstoff verabreicht werden. Frauen im gebärfähigen Alter sollen zweimal gegen Röteln geimpft sein. Ist der Impfstatus unklar, so ist das Nachholen von zwei Rötelnimpfungen empfohlen.
In der Schweiz sind zwei MMR -Impfungen im Alter von zwölf und 15 bis 24 Monaten empfohlen. In Österreich soll ebenfalls mit zwölf Monaten das erste Mal und dann mit 19 bis 23 Monaten das zweite Mal geimpft werden.
Spätestens mit Beginn der Gebärfähigkeit sollte jedes Mädchen Antikörper gegen Röteln haben – entweder durch die Erkrankung oder durch die Impfung. Wegen der Massenimpfung der Kleinkinder, die in Mitteleuropa inzwischen 90 bis 95 Prozent erfasst, ist mit einer natürlichen Durchseuchung kaum noch zu rechnen. Im Zweifelsfall kann eine Blutuntersuchung im Alter von zehn bis 14Jahren Klarheit schaffen. Röteln-IgG-Antikörper von über 10 IE /ml zeigen
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