Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
Durchfallerkrankungen im Kindesalter. Es gibt sieben Gruppen und zahlreiche Untergruppen, von denen die Serotypen G1, 2, 3 und 4 für über 80 Prozent aller Infektionen verantwortlich sind. Die Verbreitung der verschiedenen Typen ist jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich.
Während einer Durchfallerkrankung werden die Rotaviren bis zu 14Tage über den Stuhl ausgeschieden. Da sie sehr resistent sind und auch fortschrittlichen Desinfektionsfeldzügen trotzen, sind sie schwer aufzuhalten und werden auch als »demokratisch« bezeichnet.
Rotaviren lassen sich bei der überwiegenden Mehrheit des Krankenhauspersonals im Handabstrich nachweisen (Gleizes 2006). Eine bedeutende Risikogruppe für Rotavirusinfektionen sind daher Krankenhauspatienten, besonders in den Kinderabteilungen. Eine Übertragung lässt sich besser als mit Desinfektionsmitteln durch gründliches Händewaschen mit Seife verhindern.
In Deutschland kommt es jährlich zu etwa 100000 Erkrankungen (Soriano-Gabarro 2006). Haupterkrankungsalter ist der sechste bis 24. Lebensmonat. Bis zum fünften Lebensjahr erkrankt jedes Kind mindestens einmal an einer Rotavirusinfektion. Wiederholte Infektionen mit Rotaviren führen allmählich zur Immunität.
Die Symptome der Rotaviruserkrankung sind Erbrechen, Durchfall und meist auch Fieber. Wegen Austrocknungsgefahr werden zwei von hundert erkrankten Kindern in ein Krankenhaus aufgenommen. Bedrohliche Fälle sind selten: Nach der deutschen Todesursachenstatistik gibt es durchschnittlich einen Todesfall pro Jahr bei unter fünfjährigen Kindern (1:3,5 Millionen). Fatale Verläufe werden durch Risikofaktoren wie extreme Frühgeburtlichkeit oder schwere Grunderkrankungen begünstigt, zum Teil auch durch eine zu späte Krankenhauseinweisung ( ESPED 2010).
In den Entwicklungsländern tragen Durchfallerkrankungen erheblich zur Kindersterblichkeit bei. Die WHO schätzt, dass jedes Jahr mehr als 500000 Kinder im Verlauf einer Rotavirusinfektion sterben, vor allem unterernährte oder chronisch kranke (Aids, Tuberkulose) Kinder in ländlichen Regionen ohne Zugang zu medizinischer Versorgung.
Gestillte Kinder erkranken deutlich seltener an infektiösem Brechdurchfall (Kurugöl 2003, Banerjee 2006). Infizieren sich Neugeborene in der Klinik mit Rotaviren, so bekommen sie unter dem Schutzschirm mütterlicher Antikörper meist keine Symptome, sondern erwerben unbemerkt schon einmal eine gewisse natürliche Immunität (Bhan 1993).
Die Impfung gegen Rotaviren
Seit 2009 empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation die Impfung aller Säuglinge weltweit gegen Rotaviren. Auf dem Markt sind die beiden Rotavirusimpfstoffe Rotarix (GlaxoSmithKline) und RotaTeq (Sanofi Pasteur MSD ). Die Zulassung gibt für beide Impfstoffe als frühesten Impftermin das Alter von sechs Wochen an, die Impfserie soll bis zum sechsten Lebensmonat abgeschlossen sein.
Rotarix besteht aus abgeschwächten Lebendviren des häufigsten Typs G1 und ist gegen diesen Typ besonders wirksam, vermittelt aber auch eine Teilimmunität gegen die Serotypen G2, 3 und 9. Die Impfung besteht aus zwei oralen Gaben im Abstand von mindestens zwei Monaten.
Ausgangsmaterial für RotaTeq ist ein Rotavirusstamm vom Rind, der mit Antigenen der fünf häufigsten Rotaviren G1, 2, 3, 4 und 9 gekoppelt wird. Die gentechnisch hergestellten Viren vermehren sich im Darm nicht so gut wie die Impfviren aus dem Konkurrenzprodukt Rotarix und müssen deshalb hochdosiert verabreicht werden. Erforderlich sind drei Gaben im Abstand von jeweils mindestens einem Monat.
Die deutsche STIKO stellte im Mai 2010 fest, dass für eine generelle Impfempfehlung noch wesentliche Daten zur Impfstoffsicherheit und zur Krankheitslast fehlen. Dennoch gibt es schon Impfempfehlungen in den Bundesländern Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, wobei die Kostenübernahme teilweise noch nicht geregelt ist.
In Österreich ist die Impfung seit 2006 öffentlich empfohlen, die Kosten für den Impfstoff Rotarix werden von der Krankenversicherung übernommen.
In der Schweiz wurde die Impfung bisher (2012) nicht in den Impfplan aufgenommen, weil Erkrankungen durch Rotaviren »von kurzer Dauer sind, keine Langzeitschäden hinterlassen und in der Schweiz praktisch nie tödlich verlaufen«. Die sehr teure Impfung hätte deswegen eine schlechte Kosteneffektivität und auch mangelnde Akzeptanz bei den impfenden Ärzten ( BAG 2011).
Die Wirksamkeit der Rotavirusimpfstoffe
Die Wirksamkeit der
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