Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
Rotavirusimpfstoffe ist durch zahlreiche Studienergebnisse belegt. Bei mit Rotarix geimpften Kindern nimmt das Risiko von Krankenhausaufenthalten wegen Brechdurchfall um fast die Hälfte ab (Ruiz-Palacios 2006). Schwere Rotaviruserkrankungen werden mit beiden Impfstoffen zu 90 bis 98 Prozent vermieden, im zweiten Jahr nach der Impfung liegt der Schutz bei 83 bis 88 Prozent. Die Wirkung von RotaTeq scheint dabei etwas besser zu sein als die von Rotarix (Rose 2007).
Die Langzeitwirkung ist jedoch fraglich. Wahrscheinlich wird die am schwersten verlaufende Erstinfektion einfach nur verschoben. Zudem führt die Impfung zu einem »Serotype Replacement«, das heißt, sie schafft eine ökologische Nische für exotische Rotaviren (Gurgel 2007, Carvalho-Costa 2009, Weinberg 2011).
Zwei Dosen Rotarix und drei Dosen RotaTeq kosten jeweils zusammen 175 Euro. In Europa würden die Kosten eines Impfprogramms für alle Säuglinge weit über den geschätzten Behandlungskosten aller Rotavirusinfektionen liegen (Wiese-Posselt 2007, Mangen 2010).
Mit der » REVEAL «-Studie (Giaquinto 2007), finanziert vom RotaTeq-Hersteller Sanofi, machen die Hersteller den Ärzten und Behörden die Impfempfehlung schmackhaft. Es geht hier ähnlich wie bei den Windpocken vor allem um die Fehlzeiten der Eltern am Arbeitsplatz, die auf zwei bis sechs Tage pro Rotaviruserkrankung eines Kindes veranschlagt werden. Studienleiterin war die ehemalige STIKO -Angehörige Christel Hülßle, die gemeinsam mit anderen STIKO -Mitgliedern auch im Sachverständigenrat für Rotavirusimpfstoffe beim RotaTeq-Hersteller Sanofi Pasteur MSD saß (Wiese-Posselt 2007).
Für Entwicklungsländer, in denen Rotaviren ein gravierendes Problem sind, ist die Impfung wenig tauglich. Die Impfstoffe sind kaum erschwinglich und logistisch kompliziert, denn sie müssen gekühlt gelagert und wiederholt verabreicht werden. Zudem haben die Frauen in den Entwicklungsländern meist hohe Spiegel von Rotavirus-Antikörpern, die sie ihren Kindern mit der Muttermilch einflößen. Dadurch werden die Impfstoffe teilweise neutralisiert (Moon 2010, Chan 2011). In Afrika und Südasien geht die Impfung nicht einmal bei jedem zweiten Säugling an ( WHO 2009). Amerikanische Forscher denken tatsächlich laut darüber nach, ob die Mütter nicht am Tag der Impfung das Stillen unterbrechen sollten (Ehgartner 2011).
Um auf den Markt zu kommen, sponserte Sanofi von 2007 bis 2010 ein kostenloses Impfprogramm mit RotaTeq für alle Kinder in Nicaragua ( SPMSD 2007). Der Konkurrent GlaxoSmithKline liefert Rotarix für 60 Millionen Kinder in Entwicklungsländern zum Preis von 2,50 Dollar pro Dosis. Die dafür investierten 300 Millionen Dollar hätten allerdings besser verwendet werden können, zum Beispiel in ein Programm zur Förderung des Stillens, zur Versorgung mit sauberem Trinkwasser und zur Befähigung zu einfachen Hygienemaßnahmen. Solche Schritte sind vordringlich, um in ärmeren Ländern Durchfallerkrankungen zu verhindern.
Nebenwirkungen der Rotavirusimpfstoffe
Die Impfung führt häufig zu Reizbarkeit oder Abgeschlagenheit, Fieber und Magen-Darm-Beschwerden. Rechnet man die Zahlen aus den Zulassungsstudien hoch, dann fallen bei der Durchimpfung eines Geburtenjahrgangs in Deutschland jährlich 3500 bis 17500 solcher Impfreaktionen an. Auch Krampfanfälle werden gehäuft berichtet (Geier 2008).
In Deutschland wurden im Zusammenhang mit der Impfung mehrere Fieberkrämpfe bei Säuglingen zwischen dem vierten und sechsten Lebensmonat gemeldet – in diesem Alter normalerweise ein ungewöhnliches Ereignis.
In den Wochen nach der Impfung, besonders nach der ersten Impfdosis, können Impfviren über den Stuhl auf Kontaktpersonen übertragen werden. Für Gesunde ist das kein Problem. Bei Immunschwäche, zum Beispiel während einer Chemotherapie, kann das jedoch zu Ansteckung und Erkrankung führen.
Im Frühjahr 2010 wurde bekannt, dass beide Rotavirusimpfstoffe mit Schweineviren kontaminiert sind (
DÄ
17.5.2010). Dem Impfstoff Rotarix wurde deshalb in den USA vorübergehend die Zulassung entzogen. Der amerikanische Impfstoff schneidet nicht besser ab: Das in RotaTeq nachgewiesene Virus PCV -2 führt bei Ferkeln zu lebensbedrohlichen Erkrankungen. Welche Bedeutung die Kontamination für Menschenkinder hat, ist ungeklärt. Die Zulassungsbehörden in den USA und in Deutschland gehen davon aus, dass kein Risiko besteht. Im Sinne eines vorbeugenden Verbraucherschutzes müssten jedoch beide
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