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In aller Unschuld Thriller

In aller Unschuld Thriller

Titel: In aller Unschuld Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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tragen imstande gewesen war.
    Die Familien verstanden nie den Grund dafür. Warum war der Ehemann/die Ehefrau/Freundin/Freund/Vater/Mutter nie zu ihnen gekommen, um diese Last mit ihnen zu teilen? Sie verstanden nicht, dass Polizisten glaubten, nur andere Polizisten könnten sie verstehen. Allerdings vertrauten sie sich auch einander nicht an. Sie wollten in den Augen ihrer Kollegen nicht schwach erscheinen, wollten ihren Vorgesetzten keine Veranlassung geben, sie genauer zu beobachten.
    Plötzlich überkam Kovac ein schlechtes Gewissen, dass er sich in den letzten Jahren nicht mehr um Stan Dempsey gekümmert hatte. Wenn er das getan hätte, dann hätte der Mann wenigstens zwei Plastikstühle auf seiner Terrasse stehen.
    »Ich muss in Mr. Dempseys Haus«, erklärte er Hilda Thorenson. »Es könnte ihm etwas passiert sein.«
    Die alte Frau sah ihn erschrocken an. »O nein!«
    Kovac ging zur Hintertür und drehte auch dort am Türknauf. Verschlossen. Scheiße. Er war einfach zu alt dafür, Türen einzutreten.
    »Ich habe einen Schlüssel«, sagte die Nachbarin. »Für Notfälle. Warten Sie hier. Ich hole ihn.«
    Kovac sah ihr nach, wie sie im Schneckentempo davonschlurfte. Sie musste mindestens achtzig sein. Und Dempsey saß vielleicht gerade in diesem Moment auf dem Badewannenrand und versuchte, seinen ganzen Mut zusammenzunehmen, um den Abzug zu drücken.
    Es war ihm schon lange nicht mehr gut gegangen, nachdem er an den Schreibtisch verbannt worden war, während andere Leute den Fall übernahmen, der ihn an den Rand des Zusammenbruchs getrieben hatte. Die Entscheidung von Richterin Moore musste ihn völlig aus der Fassung gebracht haben, konnte ihn vielleicht sogar so weit getrieben haben, dass er seine Wut an ihr ausgelassen hatte. Und Karl Dahls Flucht hatte ihm dann möglicherweise den Rest gegeben.
    Kovac konnte nicht warten, bis die alte Frau mit dem Schlüssel zurückkehrte.
    Er ging zurück zur Hintertür und riss den Riegel der Fliegengittertür aus der Verankerung. Dann schnappte er sich eine Insektenkerze in einem kleinen verzinkten Eimer und schlug damit eine der alten Fensterscheiben ein. Zehn Sekunden später war er im Haus und rief Dempseys Namen.
    Ohne die einzelnen Zimmer genauer in Augenschein zu nehmen, rannte Kovac durchs Haus.
    »Stan? Ich bin's, Sam Kovac. Wo bist du?«, rief er, als er die Tür zu dem kleinen Badezimmer am Ende des Flurs aufstieß. Leer. Zwei Stufen auf einmal nehmend, lief er die Treppe hoch und wappnete sich gegen das Krachen eines Schusses.
    »Stan? Wo bist du? Ich muss mit dir reden.«
    Ein Schlafzimmer. Das zweite Schlafzimmer. Leer.
    Kovac holte tief Luft und legte seine Hand auf den Knauf der Badezimmertür im ersten Stock. Hier taten es die meisten, im Badezimmer, wo das Blut leichter weggewischt werden konnte.
    Kovac drückte die Tür auf.
    Leer.
    Kurze Erleichterung.
    Er lief die Treppe wieder hinunter und zur Hintertür hinaus – und hätte dabei fast die neugierige Nachbarin über den Haufen gerannt.
    Garage.
    Autoabgase.
    Aber auch die kleine frei stehende Garage war leer.
    Kein Stan Dempsey. Kein Auto.
    Scheiße.
    »Ist etwas passiert?«, fragte die alte Dame. »Ist Mr. Dempsey verletzt?«
    »Er ist nicht da, Ma'am«, sagte Kovac.
    »Also ich habe überhaupt keine Ahnung, wo er hingegangen sein könnte«, sagte sie, als wäre es unvorstellbar, dass er ein eigenes Leben führte.
    Kovac rieb sich den Nacken und seufzte tief. »Ma'am, ich muss Sie bitten, zurück in Ihr Haus zu gehen. Die Polizei wird dieses Haus und das Grundstück abriegeln.«
    Die Frau wirkte verwirrt und verängstigt, als sie einen Schritt zurücktrat.
    »Ach du liebe Güte.«
    »Ich danke Ihnen sehr für Ihre Hilfe«, sagte Kovac. Er wartete, bis die alte Frau sich umgedreht hatte und weggegangen war. Die Hasenohren an ihren Hausschuhen hüpften bei jedem Schritt in die Höhe.
    Die ermordeten Kinder waren im Keller des Haas-Hauses aufgehängt worden. Es konnte also durchaus sein, dass Stan Dempsey sich den Keller ausgesucht hatte, um sich dort unten aufzuhängen.
    Kovac ging wieder ins Haus und knipste das Licht neben der Kellertreppe an.
    »Stan? Ich bin's, Sam Kovac. Ich komme runter«, rief Kovac und stieg langsam Stufe für Stufe die Kellertreppe hinunter.
    Die Kellerwände waren mit astigen Fichtenpaneelen getäfelt, der Boden war mit einem billigen grünen Teppich ausgelegt, und die Lärmschutzverkleidung an der Decke zeigte eine gelbliche Färbung, wahrscheinlich infolge des vielen

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