In allertiefster Wälder Nacht
bei, auf den Motor zu hören, ein Gespür für ihn zu bekommen und ausreichend Gas zu geben, während ich die Kupplung langsam kommen ließ.
Cal schaut mich an und wartet. Ich rutsche auf dem Stuhl herum. »Ja, kann ich, Knüppelschaltung fahren.«
Er schaut mich noch eine Weile prüfend an, dann lehnt er sich ein wenig zurück.
»Gut. Du könntest den Jeep drüben bei dir behalten, dann hast du ihn zur Verfügung, wenn du ihn brauchst. Benutze ihn, wann immer du willst.«
Ich nicke. Ich sollte etwas sagen, irgendwie Interesse zeigen, Dankbarkeit oder was immer in dieser miesen Lage gefragt sein mag, aber ich kann nur normal atmen, mehr nicht. Zwischen diesem hier und der Bibliothek …
Er redet immer noch. Ich versuche, mich auf das zu konzentrieren, was er sagt.
»Nicht wie ein freiwilliger Helfer oder so was.« Ihm scheint nicht wohl dabei zu sein. »Ich bezahl dich.«
Darüber muss ich beinahe lachen. Kann er mich nicht damit entlohnen, dass er mich in Ruhe lässt? Kann er mir nicht meine Eltern vom Leib halten? Mir ein paar Monate Zeit verschaffen, bis ich mich wieder im Griff habe? Ich habe ernsthafte Zweifel daran, dass er mir das zahlen kann, was ich haben will.
Ich schau auf seine Hände. Sind größer als meine. Makellose Haut, glatt. Liegen ruhig vor ihm auf dem Tisch. Wie kann er so ruhig sein?
Meine Hände sind kalt, flattern wie Vögel auf meinem Schoß herum. Ich zupfe an den Fingern, versuche, still zu sitzen. Versuche, das Entsetzen in meinem Kopf zu dämpfen, mich dem schweren Schleier zu ergeben, der sich über mich legt. Ich gleite weg. Dann bin ich unter Wasser, sinke, werde hinuntergezogen von all der Schwere, an diesen Ort, an dem nichts mehr klar ist.
Nur ist das zum ersten Mal keine Erleichterung. Das Gefühl folgt mir, und der stumme Ort dehnt sich in alle Richtungen, schwer, unscharf, wie eine andere Art Albtraum, einer, in dem ich die ewige Zeugin bin.
Ich schaue auf. Sein Blick ruht auf mir.
Nicht Patricks. Cals. Hier. Er wartet.
Ich schüttele den Kopf, schau aus dem Fenster. Um mich herum gewinnt die Welt ein wenig Weite. Etwas von der Schwere weicht aus Armen und Beinen. Nur ein bisschen. Ich lasse die Schultern in eine entspanntere Haltung fallen. Schüttele noch mal den Kopf. Es gibt keine Worte dafür. Die mich erklären könnten.
»Tut mir leid …«, beginne ich.
Er macht ein langes Gesicht, er glaubt wohl, dass ich Nein sage.
»War blöd, so was zu sagen. Diese Sache mit dem Fahrer. Tut mir leid. Ich bin …«
Ich komm da nicht raus. Vielleicht sollte ich was machen … für jemand anderen. Wenn ich etwas tue, holt mich das vielleicht weg von diesem Abgrund, was auch immer für ein Abgrund das sein mag.
»Ich bin nur …«
»Ich glaub, ich weiß«, sagt er leise und stupst mich mit dem Knie an. »Ich auch.«
Wir schauen raus in den Schnee und das schwindende Licht. Die Nacht kommt jeden Tag schneller.
»Ich bin aus der Übung, bin es nicht mehr gewohnt, mit Leuten zusammen zu sein.«
Er lacht.
»Klingt doof, ist aber wahr. Ich hab etwas … äh … Einsamkeit genossen.« Ich schaue zu ihm hoch.
Er sieht mich mit diesem Blick an, in den ich mich fallen lassen könnte. In den ich mich fallen lasse.
»Ich weiß«, sagt er. »Hab ich mir gedacht. Ist auch nicht viel, das verspreche ich. Kleine Dinge. Hie und da. Also ist das ein Ja?«
Ich versuche, nicht daran zu denken, was es bedeutet, etwas zu tun, wenn jemand mich drum bittet. So viele Monate hab ich meine Zeit für mich gehabt. Ich werde so tun müssen, als wäre ich ein normaler Mensch.
Er steht vom Tisch auf.
»Ich zeig dir jetzt mal das Haus, geb dir den Alarmcode, und dann könnte ich dich, wenn du Lust hast, zu einem frühen Abendessen einladen? Da ist ein kleines Restaurant am Stadtrand, das gar nicht so schlecht ist …«
Nirgendwo was los
Vom Einsiedlerdasein zur Essenseinladung, und das inn er halb von wenigen Stunden. Ich mach mir nicht mal die Mühe, mir mein Gesicht im Badezimmerspiegel anzusehen, bevor wir aufbrechen. Ist ja nicht so, als könnte ich mir aus dem Nichts heraus was Besseres zum Anziehen beschaffen oder Lipgloss aus den leeren Taschen meiner Jeans ziehen. Mamie wäre lieber tot umgefallen, als in diesem Zustand auszugehen. Modebesessen war ich nicht, das ist eher Merediths Ding, aber die Jahre als Tochter meiner Mutter und Merediths bester Freundin hatten mich doch gelehrt, wenigstens was mit meinen Haaren anzustellen und den Lippen ein bisschen Farbe zu geben.
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