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In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
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Mutter«, sage ich und hoffe plötzlich, dass sie nicht auf dieselbe Idee kommt.
    »Die tauchten also vor ein paar Tagen zu einer gründlichen elterlichen Inspektion anlässlich der Feiertage beim armen kranken Jungen auf.« Er fährt mit der Hand an meiner Taille entlang und legt sie mir auf den Rücken. »Ich hab ihnen gezeigt, wie gut ich drauf bin.«
    »Ja, das bist du«, sage ich und grinse ihn an. Bin albern vor Glück. Das ist ein seltsames Gefühl.
    Er lacht. »Ich hab ihnen gesagt, dass ich dieses Jahr hierbleiben will. Mit dir?« Er schaut mich an, als ob er sich nicht sicher ist, ob es okay ist, so was zu sagen. Ich drücke meine Stirn an seine Brust. Schließe die Augen. Das kann nicht real sein.
    »Sie sind also wieder abgefahren. Aber Annie hat was für uns dagelassen.«
    Er stützt sich auf die andere Krücke und ich folge ihm durch das dunkle Haus zu der Fensterwand mit Blick aufs Wasser. »Warte hier«, sagt er, »und mach die Augen zu.«
    Ich mach sie zu. Das ist mehr, als ich gehofft hatte. Er freut sich, mich zu sehen. Anscheinend geht es ihm ein wenig besser. Ich kneife die Augen noch ein bisschen fester zu und hole tief und glücklich Luft. Zum ersten Mal seit langer Zeit.
    Er legt Musik auf, und dann steht er hinter mir, mit den Händen an meiner Taille. Ich lehne mich ein wenig zurück an seine Brust. Er küsst mich auf den Scheitel.
    »Okay. Augen auf.«
    Vor uns Hunderte von kleinen Lichtern. Stränge goldenen Gefunkels kreuz und quer zwischen Terrasse, Haus und Wasser. Es ist, als hätte der Himmel ein paar Sterne nach unten verliehen, die nun die kahlen Äste der Bäume sprenkeln, aus kleinen verschneiten Büschen hervorglitzern und die Terrasse säumen bis zum äußersten Rand. Es ist eine andere Welt. Ein Traum aus Licht.
    »Oh …«, ist alles, was ich sagen kann. Wenn ich doch meine Kamera dabeihätte.
    Er stupst mein Kinn hoch, senkt den Kopf, sein Mund trifft auf meinen.
    »Meine Stiefmutter wollte uns was Schönes schenken.«
    Uns.
    Wie lange ist das her. Aber ich will etwas, das hier. Ich will, dass es ein »uns« gibt. Mit ihm.
    Er befreit sich von den Krücken, legt sie auf die Couch. Er selbst lässt sich auf den weichen Teppich nieder, mich zieht er mit runter. Ein klein bisschen unbeholfen ist das.
    »Sorry«, sagt er, einen Moment lang klingt seine Stimme angespannt. »Runter geht’s nicht so leicht, wie es aussieht.«
    Den Lichtern zugewandt, lehnen wir uns an die Couch. Seite an Seite werden auf ganzer Länge unsere Beine heiß. Sie berühren sich an tausend Stellen. Er rückt näher, zieht mich an sich, fährt mit den Händen durch meine Haare, am Hals entlang, in mein Shirt. Presst den Mund an meine Kehle, am Schlüsselbein entlang. Ich fröstele.
    »Ist das okay?«, flüstert er.
    Für mich ist vermutlich schon lange nichts mehr so okay gewesen. Wir rutschen nach unten, sodass wir vor den Fenstern liegen, Cal, auf den Ellenbogen gestützt, über mir, streicht mir übers Gesicht. Ich kenne das, ich weiß, wohin dieser Weg führt. Ich will mich an ihn pressen, gegen ihn, hier sein, nicht da, in der Hitze zwischen uns verschwinden.
    »Weinst du?« Er wischt mir eine Träne von der Backe.
    Tu ich. Jetzt nicht, Patrick, jetzt nicht, jetzt nicht.
    »Ich bin glücklich.« Meine Stimme bricht.
    Mehr Tränen. Ich bedecke das Gesicht mit den Händen . Unmöglich, nicht daran zu denken, wohin das hier führt.
    Er zieht meine Hände weg, küsst die Tränen von meinen Wangen, hält mich fest. Sein Herz so verlässlich, so sicher unter meinem Ohr.
    »Es ist nur«, sage ich, als ich meine Stimme wiederfinde, »zurzeit erlebe ich alles so intensiv. Ich weiß nicht so genau, was ich tu. Und ich hab gedacht, dass du vielleicht mit mir fertig bist. Du weißt schon, als ich nichts von dir gehört hab.« Ich wische mir mit der Hand über das Gesicht.
    »Fertig mit dir …« Cals Arme drücken mich fester. »Ich wollte dir ein wenig Raum geben. Ich hab dir all diese heftigen Sachen erzählt – du solltest eine Chance haben, dich da rauszuziehen.«
    Er küsst meine Lider. Meine nassen Wimpern.
    Heftige Sachen. Er hat ja keinen Schimmer.
    Ich atme tief durch.
    »Bei dir hab ich das Gefühl, vielleicht doch kein total kaputter Mensch zu sein.«
    Er will gerade widersprechen, als ich mich als kaputt bezeichne, doch ich halte ihm den Mund zu. Ich glaub, ich muss das sagen. Außer meinen Eltern soll das noch jemand wissen, das brauche ich.
    »An dem Abend … jenem Abend … waren wir draußen in

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