Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
Vom Netzwerk:
zu kümmern?« Er reicht Cal einen Haufen geriebenen Käse.
    »Klappe, Michael«, warnt Cal, der den Käse in eine neue Schüssel mit Eiern rührt.
    »So hat er das nicht gemeint.« Mary verteidigt meinen Dad oder vielleicht mich. »Er wollte mir nur in Erinnerung rufen, achtzugeben. Als Frau. Die für mich vermeintlich angemessene Lebensweise wird mit anderen Maßstäben gemessen. Zara und ich reden ab und zu mal drüber.«
    »Ich versuche nur herauszukriegen, ob es in der Familie liegt.« Michael lacht, als sei das Ganze nicht so ernst gemeint gewesen.
    »Wer hat Hunger?«, fragt Cal, der den Teller mit dem Bacon vom Herd zieht und Michael in die Hand drückt.
    Ich versuche, mich darauf zu konzentrieren, Teller und Besteck zusammenzusammeln. Cal stößt mich mit der Schulter an, eine trostreiche Geste. Ich schaue auf zu ihm. Nicht zu fassen, dass er hier ist, mit mir. Dass ich hier bin. Mit überhaupt jemandem. Ich hab das Gefühl, in ein paar Wochen mehrere Jahre gelebt zu haben. Glücklich macht mich das und unsicher. Ich weiß, wie schnell Dinge sich ändern.
    Wie um diesen Gedanken zu unterstreichen, lässt Cal einen Stapel Saftgläser auf den Küchenboden fallen. Klirrend zerbrechen sie auf den Fliesen. Überall Glas. Lärm. Alle bekommen einen Schreck.
    »Shit.« Wut zuckt über sein Gesicht. Er sieht mich an. »Sorry, bin tollpatschig.«
    »Wir waren die ganze Nacht auf.« Mein Ton bleibt unbeschwert, ich gebe ihm schnell einen Kuss und greife nach dem Mülleimer.
    Michael hockt sich neben mich auf den Boden, reicht mir ein paar der größeren Stücke. Mary steigt über uns hinweg und stellt das restliche Essen auf den Tisch.
    »Habt ihr irgendwo ein Kehrblech?«, fragt Michael und zeigt auf die übrigen glitzernden Scherben.
    Ich schicke ihn zu der kleinen Kammer am anderen Ende des Flures.
    »Ich kann es nicht finden«, ruft er.
    Ich geh und will es holen, aber da steht er, mit dem Kehrblech in der Hand. Eine Sekunde lang bin ich verwirrt. Er packt meinen Arm, ziemlich fest, und sieht mich durchdringend an. Seinem Blick fehlt die Wärme, die er eben noch für Mary hatte.
    »Ich behalte dich im Auge«, zischt er und drückt meinen Arm noch fester. »Tu ihm nicht weh, egal, wie irre du auch sein magst. Er hat dich wirklich gern. Was du auch tust, mach ihn nicht fertig. Wir haben lange gebraucht, um so weit zu kommen. Verarsch ihn bloß nicht. Bitte. Nicht jetzt.«
    Ich bin erschüttert. Michael lässt meinen Arm fallen, als hätte er etwas Widerliches berührt, nimmt mir den Besen aus der Hand und geht zurück in die Küche.
    Mit klopfendem Herzen lehne ich mich an die Wand, versuche zu atmen, verschwinde mal kurz im Bad, zur Beruhigung. Mein Magen befindet sich im freien Fall. Ich spritze mir ein bisschen kaltes Wasser ins Gesicht, betrachte mein Spiegelbild. Alles verändert sich, ich hab die Orientierung verloren. Wahrscheinlich hat Michael recht. Ich werde es nur vergeigen, irgendwie. Keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe, mich mit Cal einzulassen.
    Als ich rauskomme, sitzen sie am Tisch und lachen über irgendwas. Hab den Witz nicht mitgekriegt. Ich weiche Michaels Blick aus.
    »Bon appétit«, sagt Cal, als ich mich auf meinen Platz setze.
    Eine Weile ist nur das Geräusch von Besteck auf Tellern da und das Gemurmel von Leuten, die Schüsseln herumreichen.
    »Mmmmh«, macht Mary mit einem tiefen Seufzer nach ein paar Bissen. »Was macht das Frühstück nach einer durchgemachten Nacht nur so toll? Ich fühl mich, als wäre ich gestorben und in den Himmel gekommen.«
    Gestorben und in den Himmel gekommen. Eine Sekunde lang bleiben mir ihre Worte in der Kehle stecken, ich fürchte, ich fang gleich an zu weinen. Ich schaue runter auf meine Serviette. Blinzele heftig.
    Nichts ist passiert. Es ist alles in Ordnung. Das wiederhole ich in meinem Kopf. Es ist okay, alles okay, alles okay. Die Zeit schreitet voran. Ich werde mich von Mary verabschieden und ich gehe nicht daran kaputt. Ich werde mich weiter mit Cal treffen. Weiter aufwachen. Zur Arbeit gehen. Ich gucke Michael an. Man merkt ihm überhaupt nicht an, dass er eben im Flur auf mich losgegangen ist. Was für ein Glück ich doch habe, sage ich mir, am Leben zu sein, mit diesen Leuten zu essen, die ich zu lieben beginne.

Wie still
    Ohne Mary ist es still. Zu still. Ich will es gar nicht, aber ich ertappe mich dabei zu erwarten, dass ich sie in der Küche antreffe, wo sie kompromisslos starken Kaffee in der Stempelkanne macht und dabei aussieht

Weitere Kostenlose Bücher