Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
Vom Netzwerk:
uns einen Weg durch das Gedränge, bis rüber zu einer stilleren Ecke. Ich beobachte, wie Mary sich durch den Raum bewegt, lächelnd, strahlend. Mein Dad ist immer um sie herum, stellt sie vor, öffnet Türen für sie, sieht beinahe aus wie ein stolzer Vater. Sie wirkt glücklich, nicht erschüttert, so als ob alles vergeben wäre und ihr Abend genauso verlaufen würde, wie sie es gehofft hat.
    Nach Mitternacht fangen die Leute an zu tanzen. Einer von Marys Freunden schließt einen Laptop an und gibt den DJ . Das Atelier wird zur pulsierenden Disco, der Sound bricht sich an dem vielen Metall, wirbelt alle herum. Das Tempo geht mir bis tief in die Knochen, mein Brustbein vibriert mit dem Bass. Mir scheint, mein Herz setzt manchmal aus und wird durch all das ringsum neu gestartet. Danach bin ich atemlos.
    Das ist kein gutes Gefühl. Dass ich den Überblick verloren habe, wie viele Gläser ich getrunken habe, macht es auch nicht besser. Ganz hinten im Raum bauen ein Hummermann und seine Frau einen Tisch mit frischen Hummerbrötchen auf, Whoopie Pies und Hummersuppe, die in diesen irren Siebzigerjahre-Suppentassen serviert wird. »Meine persönliche Note«, trällert Mary, die an uns vorbeiwirbelt und ein Grinsen von Michael erntet.
    Nachdem wir gegessen haben, wirbelt sie wieder vorbei, ihre silbernen Zehen glitzern, und sie versucht, mich mit auf die Tanzfläche zu ziehen.
    Keine Chance.
    Sie bettelt mit den Augen.
    Mein Herz schlägt Synkopisch. Dieses heiße, stickige Gedränge von Leuten. Mehr als ein Kollege meines Vaters hat mich auf diese klebrig süße Art mit Ausrufen überschüttet, die deutlich machen, dass sie alles wissen – über das, was passiert ist.
    Ich schüttele den Kopf. Entschuldige mich. Tanzen kommt nicht infrage. Ich kann nicht, nicht mal für Mary. Ich bin bereits auf der abgewandten Seite des Mondes angekommen.
    Stattdessen schnappt sie sich Michael. Zunächst protestiert er, doch Cal gibt ihm einen kleinen Schubs und er folgt ihr in die Menge. Wir beobachten, wie sich die beiden an den Händen packen, ehe die Masse der Tanzenden sich teilt, um sie hineinzuziehen.
    Auf einmal sieht Cal völlig erledigt aus.
    »Komm, wir suchen uns was, wo wir uns hinsetzen kön nen«, sage ich. »Ich muss irgendwohin, wo es ruhiger ist.«
    Wir verschwinden hinten um die Ecke in das kleine Büro, in dem mein Dad alles lagert. Ist immer noch ziemlich laut, aber die Abwesenheit der Menge macht schon viel aus.
    Cal sinkt in einen staubigen Sessel, die Krücken legt er auf den Boden. Er zieht mich an der Taille auf seinen Schoß.
    »Erde an Wren, ein frohes neues Jahr.«
    »Prosit«, sage ich, aber ich spüre, wie ich davongehe, an einen ruhigeren Ort entschwebe. Vor einem Jahr, da waren Patrick und ich so zusammen, seine Hand hatte über das seidige Etuikleid gestrichen, das ich mir von Meredith geliehen hatte. Dies ist das erste neue Jahr, das er nicht sehen wird. Das ist ein Schlag. Ich lasse den Atem los, den ich festhalte.
    »Das ist mal ein Kleid.« Sein Blick folgt meiner neuen Halskette bis runter zum Dekolleté. Seine Hand streift meine Brust. Bringt mein Herz zum Stillstand. Er lässt die Finger in mein Haar gleiten, befreit Kämme und Nadeln, zieht sie raus, sodass es mir warm über Rücken und Schultern fällt.
    »Ich kann an nichts anderes denken als daran, wie gern ich es dir ausziehen möchte«, sagt Cal, seine Stimme ist leise.
    Ich zwinge mich, hierher zurückzukommen, zurück zu ihm, dies hier zu spüren, aber mir fällt auf, wie blass er ist. Der Blick von Nick vorhin bei unserer Begrüßung zuckt mir durch den Kopf. Unbehagen. Ob er wohl ständig so angesehen wird? Und merkt er es?
    »Alles in Ordnung mit dir?«, frage ich. »Du siehst müde aus.«
    Er stöhnt, lehnt den Kopf an den Sessel.
    Ich hab es kaputtgemacht.
    »Lass das«, sagt er. »So soll das nicht laufen zwischen uns, okay? Ich pass auf mich selber auf. Und, hast du vorgehabt, mir was von Berlin zu erzählen? Oder war das eine Art Geheimnis? Übrigens, wer ist Matthau?«
    »Oh Gott.« Ich schlage die Hände vors Gesicht. Cals Worte kommen jetzt bei mir an. »Tut mir leid. Zu viel Champagner.«
    Ich lasse die Haare nach vorn fallen, ein Vorhang zwischen uns.
    »Matthau ist ihr Sohn. Ich war sieben, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Cal, ehrlich, ich hatte das Angebot vergessen.« Ich komme mir vor wie der totale Loser. »Mein Dad hat es erwähnt, als ich …« Was soll ich sagen? Wie eine Schlafwandlerin herumgelaufen bin?

Weitere Kostenlose Bücher