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In besten Kreisen

In besten Kreisen

Titel: In besten Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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fragte Reed, nachdem sie in der Kneipe Platz gefunden hatten. »Als ich dich verließ, warst du eine mehr oder weniger vernünftige außerordentliche Professorin für Englische Literatur. Hast du Verstand, Geld oder Überblick verloren? Selten hat mich jemand so beunruhigt wie du.« »Es ist nicht wirklich eine Pension, auch wenn es auf den ersten Blick natürlich so aussieht. Man kann überhaupt meine ganze Situation in diesem Sommer als eine zufällige Verkettung unwahrscheinlicher Ereignisse bezeichnen. Soll heißen, das Leben hat eines mit dem Preisboxen gemeinsam: Kriegst du einen Schlag in die Magengrube, dann folgt dem wahrscheinlich ein Kinnhaken.« »Ich wußte gar nicht, daß du kleine Jungen magst.« »Ich mag überhaupt keine kleinen Jungen. Wenn du Leo meinst, er ist der Kinnhaken. Der springende Punkt ist, Reed, daß du einfach nicht da warst, als mir der Gedanke kam, dich um Rat zu fragen. Es gibt doch bestimmt genug Verbrechen in New York, deswegen brauchst du wohl kaum nach England zu Jetten?« »England hat große Fortschritte bei der Bekämpfung jener Verbrechen gemacht, die im Zusammenhang mit Drogen stehen. Es hat keine sonderlich großen Fortschritte gemacht, was das Problem von exzentrischem Verhalten angeht – ich glaube vielmehr, die haben es erfunden. Wenn Leo der Kinnhaken ist, fangen wir dann vielleicht, deinem äußerst schlecht informierten und unpassenden Vergleich mit dem Preisboxen folgend, damit an, daß wir den Schlag in die Magengrube besprechen?« »Ich nehme an, du kennst Sam Lingerwell nicht – ich esse Kalbskotelett mit Spaghetti; ich kann es zwar nicht direkt empfehlen, aber es ist entschieden besser als die Hühnerpastete.« »Zweimal Kalbskotelett mit Spaghetti«, sagte Reed zu der Kellnerin. »Von Mr. Lingerwell habe ich heute nachmittag zum erstenmal gehört; Emmet Crawford hat ihn erwähnt, im Zusammenhang mit einer ganz seltsamen Geschichte über Edinburgh.« »Bestimmt war es Dublin. James Joyce.« »Du hast recht. Dublin. Die Merkwürdigkeiten nehmen kein Ende.« »Sam Lingerwell ist vergangenen Herbst gestorben, im reifen und wunderbaren Alter von neunzig. Er setzte sich in einen Sessel, zündete sich eine Zigarre an und begann mit der Lektüre eines Buchs von Sylvia Townsend Warner. Am Morgen haben sie ihn gefunden.
    Ich bin mit Lingerwells Tochter zur Schule gegangen und irgendwie mit ihm und seiner Frau befreundet geblieben, noch lange, nachdem seine Tochter in ein Kloster eingetreten war.« »Ein Kloster?« »Zu dem Teil der Geschichte komme ich gleich. Sam und die Calypso Press, die er gegründet hat – also, du müßtest ein bißchen in Alfred Knopfs Memoiren lesen, über seine Zeit als junger Verleger, dann wüßtest du, was ich meine. Sam war einer der großen alten Männer des Verlagswesens; es gibt sie heute kaum noch. Die Sorte, die etwas von Literatur versteht, Mumm hat und an Halluzinationen geglaubt hätte, wenn du ihnen erzählt hättest, wie es heute bei dem Klüngel in der Madison Avenue zugeht. Sie stammen alle aus einer Zeit, zu der man Verleger werden konnte, ohne eine Million Dollar zu besitzen, Cocktails zu trinken und einen PR-Manager und vierzehn Computer sein eigen zu nennen. Schon recht, ich erspare dir die Reden von der guten alten Zeit. Es reicht, wenn ich dir sage, daß Sam der Beste war, und zu der Zeit hieß das eine Menge. Er war derjenige amerikanische Verleger, der genug Mumm, Geschmack oder was immer man dazu brauchte, besaß, um James Joyce zu verlegen und D.H. Lawrence und die vielen anderen Engländer und Amerikaner, die wir heute als Klassiker ansehen, die aber damals, rund um den Ersten Weltkrieg, als dreckige Naturalisten galten.« »Aha, ich fange an zu verstehen, worüber Mr. Crawford und ich vorhin gesprochen haben.« »Ich bin froh zu hören, daß du es kapiert hast. Derzeit denken wir alle viel über Joyce nach. Emmet versucht, durch ein gelegentliches Grunzen meinerseits ermutigt, Sams Briefe nach Autoren zu ordnen, damit wir feststellen können, wessen Briefe wohin gehören, und vielleicht kommen wir so dahinter, warum Dublin immer wieder erwähnt wird. ›Dubliner‹ war das erste Buch von Joyce, das einen Verleger fand. Aber laß mich jetzt nicht weiter über Joyce reden; der wird nur mit jedem Satz immer schwieriger, und man kommt nie zu einem Schluß. Wo war ich stehengeblieben?« »Bei der guten alten Zeit im Verlagswesen.« »Ach ja. Also, Sam hat wunderbare Bücher herausgebracht und ungefähr fünfzig Jahre

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