In besten Kreisen
das mir zuhört, ziemlich gefehlt.« »Ist dieser jüngste Bruder genauso ein Spießer wie die anderen?« »Noch spießiger. Aber er ist auch derjenige, der für mich mein Geld anlegt und mir bei der Einkommenssteuererklärung hilft. Deswegen habe ich mit ihm eher als mit den anderen einen modus viven-di gefunden. Welcher Teufel mich geritten hat, am Abend ihres Hochzeitstagsdinners Sam Lingerwell, seine Bibliothek und sein Haus auf dem Lande zu erwähnen, kann ich mir nicht mehr zusammenreimen. Sicher, mir fehlte es, wie üblich, an geeignetem Gesprächsstoff, aber ich neige noch immer dazu, die Götter dafür verantwortlich zu machen. Egal, die Tatsache, daß ich vielleicht den Sommer auf dem Lande verbringen würde, hatte sich in der nicht besonders ausgeprägten Vorstellungskraft meines Bruders festgesetzt, und eine Woche später wurde ich zum Lunch eingeladen.« Kate blieb stehen, zündete sich eine Zigarette an und hockte sich zweifelnd auf einen Baumstumpf, bevor sie fortfuhr. »Das für sich genommen war schon eine bedrohliche Sache. Er sagte, er wolle mich um einen Gefallen bitten, und lud mich zum Lunch ins White’s ein, wo sie Beefeater-Martinis kredenzen, für die ich, wie er sich erinnerte, ein Faible habe. Es würde meinem Bruder niemals einfallen, mit mir in ein Lokal zum Lunch zu gehen, das für mich bequem zu erreichen ist. Gefallen oder nicht Gefallen, er arbeitet schließlich, und ich – ja, die Tatsache, daß auch ich arbeite, hat er sich nie richtig bewußt gemacht, und außerdem – was tut eine Professorin denn? Flink, wie ich normalerweise kombiniere, kam ich zu dem Schluß, es müsse sich um Geld handeln. Es hat meinen Bruder schon immer gestört, daß ich, obwohl ich genauso viel Geld geerbt habe wie er, mit meinem Einkommen zufrieden bin und meine Aktien und Wertpapiere einfach wachsen oder sich auflösen lasse oder was angelegtes Geld sonst noch tut. Solange ich nie an mein Kapital herangehe, kann mein Bruder sich nicht wirklich beklagen, daß ich nicht genug unternähme, um meinen Etat zu verdoppeln oder andere Beteiligungen zu kaufen und was es sonst noch an obskuren Finanzmanövern gibt. Aber ich dachte mir, gut, wahrscheinlich hat er entdeckt, daß er ein bißchen flüssiges Geld braucht, und will versuchen, über irgendeine komplizierte Sache mit mir zu verhandeln. Und so ging ich hin und war darauf vorbereitet, zwei Martinis zu trinken und jede nur mögliche Befriedigung aus seinen finanziellen Problemen zu ziehen.« Kate bohrte ein kleines Loch in die Erde und versenkte den Zigarettenstummel darin. »Ich hätte mich gar nicht gründlicher irren können. Mein Bruder ist in der Tat sehr reich, und wahrscheinlich hätte ihn zu Tode erschreckt, daß ich auf die Idee gekommen war, er könnte Interesse an meinen schmächtigen Geldanlagen haben. Unnötig zu sagen, daß er sein Erbe mehr als verdoppelt hat, und außerdem verdient er Unmengen Geld mit seiner Anwaltskanzlei an der Wall Street. Kaum hatte ich meinen ersten Martini getrunken, da kam es heraus: Er wollte mit mir über Leo sprechen. Es lief darauf hinaus, daß Leo in der Schule hinterherhinkte, abwechselnd aggressiv und widerspenstig war, und daß er einen Sommer lang einen Hauslehrer brauchte und nicht in ein Jugendlager gehen, sondern in einem Haushalt leben sollte, in dem er das einzige jugendliche Mitglied darstellte. Kurz gesagt, mein Bruder schlug von Leos Problemen über die Ratschläge des Erziehungsberaters zu der unglücklichen Bekanntgabe meiner Ferienpläne einen Bogen. Er schlug mir vor, ich sollte Leo mitsamt Hauslehrer für den Sommer mit mir nehmen und ihn nach der Devise ›Das ist doch selbstverständlich, und ich mag dich, wie du bist‹ behandeln, was offenbar meine Art mit Kindern ist – die Wahrheit ist, daß ich, wenn ich schon gezwungen bin, mit Kindern zu reden, das genauso tue wie mit jedem anderen Menschen –, und wir sollten sehen, ob wir Leo nicht wieder hinbekämen. Mein Bruder hatte seiner Frau versprochen, den Sommer mit ihr in Europa zu verbringen, und mir schwante, ohne daß er genauer werden mußte, daß jede Enttäuschung in diesem Punkt meinem Bruder für eine beträchtliche Zeitspanne das Leben schwer gemacht hätte. Er bot an, den Hauslehrer zu bezahlen, wen immer ich engagieren würde, mir seinen eleganten Wagen zu leihen und alle Ausgaben zu übernehmen, die durch diese ganze ›Operation Ferienpension‹ entstünden.« »Und da hast du zugestimmt.« »Natürlich nicht. Ich habe
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