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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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O’Donnel machte sich keine Gedanken darüber – polizeiliche Ermittlungen erweckten immer indiskrete Neugier.
    Thayer legte Arnold McGarth die Hand auf den Arm.
    »Wenn Sie mal in Brooklyn vorbeikommen, sagen Sie mir Bescheid, ich schulde Ihnen eine Essenseinladung. Annabel, sag Woodbine, dass wir die Unterstützung der Staatspolizei brauchen, ich rufe den Sheriff von« – Thayer schaute noch einmal auf die Karte – »Montague an und sage ihm, dass wir kommen.«
    McGarth hob den Zeigefinger wie ein schüchterner Schüler, der sich zu Wort meldet. Thayer bemerkte ihn nicht gleich, ließ ihn dann mit einer Kopfbewegung zu Wort kommen.
    »Es ist nur … diese Trasse, na ja, sie ist längst aufgelassen.«
    Thayer starrte Annabel an. Sie dachten beide das Gleiche. Sie hofften beide das Gleiche: Bobs Versteck gefunden zu haben.
    Die nächsten Minuten vergingen mit Anrufen, die Situation musste erklärt und die entsprechenden Genehmigungen eingeholt werden. Captain Woodbine würde sich mit allen zuständigen Behörden in Verbindung setzen, um sie zu informieren. Inzwischen wollten Thayer und Annabel, zusammen mit dem örtlichen Sheriff, überprüfen, ob sie sich auch nicht getäuscht hatten, denn noch immer war ein Irrtum möglich. Sollte sich herausstellen, dass ihre Schlussfolgerungen richtig waren, lautete ihr Auftrag, keinerlei Risiko einzugehen und auf Verstärkung zu warten.
    McGarth war gerne bereit, den beiden Detectives seine Karte zu überlassen. Er und Wilkes wirkten richtig stolz, denn sie waren sich ihrer wichtigen Rolle bewusst. Sie verabschiedeten die beiden Polizisten aus der Großstadt, die in aller Eile das geheimnisvolle Ziel anstrebten, ohne zu wissen, was sie dort vorfinden würden.
    Als sie unter Missachtung der Geschwindigkeitsbeschränkung über die Landstraße fuhren, verfinsterte sich der Himmel und es begann zu schneien, zuerst nur ein wenig, dann aber in wilden Wirbeln. Als sollte mit allen Mitteln verhindert werden, dass Thayer und Annabel diesen Punkt auf der Karte erreichten.
    Wie eine in Watte geschossene Kugel raste der Ford durch diesen weißen Vorhang, die Scheinwerfer drangen nur wenige Meter ins Unbekannte vor.

35
    Es war dunkel geworden, eine graue Decke senkte sich über den ganzen Bundesstaat – wie eine totale Sonnenfinsternis.
    Nach eineinhalb Stunden hatten sie Montague am äußersten Nordwestrand von New Jersey erreicht. Es war eine hügelige, dicht bewaldete Landschaft an der Grenze zu Pennsylvania. Der Sheriff Sam Tuttle erwartete sie bereits, er war durch Captain Woodbine von ihrem Eintreffen und über den Grund ihres Besuchs unterrichtet worden.
    Montague war eine kleine Ortschaft, zwischen zwei waldige Hänge geduckt, eine Ansammlung von Häusern mit spitzen Dächern und ein paar Straßen. Die wenigen Leuchtschriften über den Läden an der Hauptstraße verbreiteten in diesem Schneetreiben eine Art Weltuntergangsstimmung. Die Fußgänger beeilten sich, ins Warme zu kommen, und es waren fast keine Autos mehr unterwegs.
    Als er Annabel und Thayer mit nassen Kleidern und Haaren sein Büro betreten sah, stürzte Sheriff Tuttle gleich in die Küche, um ihnen heißen Kaffee zu bringen. Er erwies sich von Anfang an als sehr kooperativ. Der kleine, etwa fünfzigjährige Mann mit dem runden Gesicht, das ein grauer Dreitagebart zierte, strahlte Freundlichkeit und Intelligenz aus.
    Als sie ihn um ein Fahrzeug baten, das den Wetterverhältnissen dieser Gegend besser angepasst war, schüttelte der Sheriff energisch den Kopf.
    »Es ist keine gute Idee, bei diesem Schneetreiben loszufahren. Hier kann man dem Wetter nie trauen. Es kann in einer Stunde aufhören zu schneien, aber vielleicht auch erst in zwei Tagen. Wenn man sich bei Sturm in den Bergen aufhält …«
    Er zog die Augenbrauen hoch, während er den Becher zum Mund führte, den Jack Thayer abgelehnt hatte.
    »Das ist egal, wir müssen dorthin«, beharrte Annabel. »Sie haben es ja gehört, die Sache ist äußerst wichtig.«
    Tuttle seufzte und warf der jungen Frau einen resignierten Blick zu.
    »Na gut, ich habe einen Cherokee, der für solches Gelände geeignet ist. Ihrer Karte nach zu urteilen, muss man am Schluss ein Stück zu Fuß gehen. Ich weiß ja nicht, was Sie dort zu finden hoffen, denn da oben ist nichts und niemand. Höchstens eine Hütte oder so etwas, aber mitten im Winter hält sich kein Mensch in dieser Gegend auf.«
    Annabel konnte einen eisigen Schauer nicht unterdrücken, als sie an die Karte dachte, die

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