In Blut geschrieben
Bob an Spencer Lynch geschickt hatte …. Jetzt musst du lernen, zu werden wie wir. Unsichtbar. Tu den Schritt, zeig, dass du klug bist … Diese Familie hat die Eingeweide der Erde auf ihrem Rücken getragen … Sie erinnerte sich, worauf Brolin sie aufmerksam gemacht hatte: Bob würde als Nächstes eine Familie überfallen. Vielleicht war das schon geschehen. Sie hatte das Gefühl, als wäre es genau diese Familie, die sie dort finden würden. Und wenn sie noch am Leben waren, irgendwo da oben, eingesperrt in eine Hütte, als Opfergabe an den Neuankömmling? Spencer Lynch ist jetzt im Krankenhaus, hielt sie dagegen. Na und? Wirst du das Risiko eingehen, sie in der Kälte zurückzulassen, wenn sie dort sind? Das sind alles nur Vermutungen, wiederholte sie sich in Gedanken, um sich zu beruhigen.
»Nehmen Sie trotzdem eine Waffe mit«, warnte Thayer. »Wir haben keine Ahnung, was uns dort erwartet.« Er warf Annabel einen Blick zu. »Wenn es gefährlich wird, steht die Staatspolizei auf Abruf bereit.«
Sam Tuttle deutete mit einer Handbewegung ein »wenn Sie meinen« an und drehte sich zum Fenster um. Er war sich keinesfalls sicher, dass die Verstärkung im Notfall bei diesem Wetter den Weg finden würde. Vor allem, wenn sie aus Trenton kam, dem Hauptquartier der Staatspolizei. Nein, darauf konnte man sich nicht verlassen.
Das flackernde Licht des Polizeiwagens warf blaue und rote Blitze in die immer trübere Schneesuppe. Es schien, als wollte der Himmel auseinander reißen und den plötzlich verdorbenen Staub des Paradieses über ihnen ausschütten. Während sich die Scheibenwischer mit asthmatischem Keuchen abmühten, betrachtete Jack Thayer den Schnee, diese Engelsasche, die die Welt bedeckte. Die Ironie gefiel dem Literaturbesessenen, der in seinen chaotischsten Stunden gern behauptete, dass er zu belesen sei, um noch an Gott zu glauben. In seinen bequemen Sitz zurückgelehnt, versuchte er, ein paar Verse zu dichten, und dabei tauchte vor seinem geistigen Auge John Miltons bleicher Geist auf.
Auf der Clove Road begegnete ihnen kein einziges Fahrzeug, rechts und links reihten sich Tannen aneinander, sie bogen in die Old Mashipacong Road ein und fuhren den Hang hinauf. Sie mussten langsam fahren, vor allem in den Kurven, um nicht ins Schleudern zu kommen und in den Graben oder gegen einen Baum zu rutschen. Nach einer Dreiviertelstunde waren sie kaum mehr als zwölf Kilometer von Montague entfernt. Als der Cherokee auf einem Parkplatz anhielt, war es draußen so dunkel, dass sie die Scheinwerfer eingeschaltet lassen mussten, um den Trampelpfad überhaupt zu finden.
Eisige Kälte umfing sie, sobald sie aus dem Wagen gestiegen waren.
Sheriff Tuttle zog seine Schirmmütze tiefer in die Stirn und verteilte Stablampen an seine Begleiter. Anschließend entsicherte er seine Pumpgun, die er, von Jack Thayer beobachtet, mitnahm.
Dann verschluckte sie der Wald.
Schon nach den ersten Metern hatten sie in dem eisigen Sturm das Gefühl, gleichsam entblößt zu sein. Die Füße wurden taub, die Zehen schmerzten. Innerhalb weniger Minuten verwandelten sich ihre Hände in schwere Anhängsel, wie mit festem Schnee gefüllt, und ihre Daumen ließen sich kaum mehr bewegen. In regelmäßigen Abständen glitt ein eiskalter Schauer ihre Rücken hinunter, und bald spürten sie Ohren und Nase nicht mehr. Ihr ganzes Gesicht schien zur Maske erstarrt.
Die Äste und Zweige streckten ihre knotigen Finger aus, griffen nach Armen und Beinen wie ein Spalier verzweifelter Bettler. Die drei Ordnungshüter bahnten sich ihren Weg durch das düstere Unterholz, benutzten ihre Stablampen wie Macheten. Das Nadelwerk der Tannen bildete ein Dach gegen den Sturm, die Bergflanke hatte sie unter ihre schützenden Fittiche genommen, während heftige Schneeböen den Himmel peitschten. Doch es wurde noch kälter, die wenigen Flocken, die durch den rettenden Vorhang des Waldes drangen, sanken leicht wie Federn zu Boden. Der Sturm verwandelte das künstliche Licht in Goldstaub. Man hätte sich in einem Märchen wähnen können.
Ein Märchen, bei dem Annabel jedoch nicht vergaß, dass es einen Wolf gab, der ihnen genau in diesem Augenblick auflauern konnte.
An einer Wegbiegung ragte ein Felsen aus dem Boden wie ein Dolmen oder ein steinernes Totem – der Zeigefinger der Erde, der auf die Sterne deutete. Sam Tuttle lehnte sich dagegen, um Thayers Karte zu studieren. Er zeigte auf die dunklen Flecken des Waldes.
»Wenn wir zu dem Kreuz gelangen wollen,
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