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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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liegen, mehrere Monate oder Jahre. Seltsam ist auch, dass es überhaupt keine Puppen gibt.«
    »Insekten?«
    »Ja, die Hülle, die Larven zurücklassen.«
    Annabel kannte die Grundlagen der rechtsmedizinischen Entomologie. Beim Tod eines Menschen wird die Leiche unverzüglich zur Nahrungsquelle für Aasfliegen. Davon gibt es acht aufeinander folgende Gruppen, jede erfüllt eine andere Aufgabe. Die erste bahnt sich einen Weg in das Fleisch, sobald der Körper nur noch lauwarm ist, um ihre Eier darin abzulegen. Manchmal kommt es schon vor Eintritt des Todes zur Eiablage, zum Beispiel in den Wunden eines Verletzten und am Rand natürlicher Körperöffnungen, wenn sich das Opfer nicht bewegt. Die zweite Gruppe wird durch den Zersetzungsgeruch und Fäkalstoffe angelockt, während die dritte sich für ranzige Fette interessiert, und so weiter. Wenn das Insekt das Larvenstadium verlässt, bleibt eine Chitinhülle, Puppe genannt, zurück. Aus dieser können Entomologen die genaue Abstammung ihres Bewohners ablesen. Dadurch lässt sich oft der Todeszeitpunkt für ein Skelett oder eine Leiche in fortgeschrittenem Verwesungsstadium feststellen. Oft weist diese Hülle auch darauf hin, dass die Leiche an einen anderen Ort verlegt wurde, wenn die gefundenen Insekten oder Puppen zu einer Spezies gehören, die nicht in der Region des Fundorts vorkommen.
    »Soll das heißen, dass es auf diesen Leichen überhaupt keine Insekten gegeben hat?«
    Fielding ließ die Finger in seinen Gummihandschuhen knacken.
    »Ein paar Viecher, die hier eine ideale Zuflucht gefunden haben, aber keine Eiablage. Natürlich ist jetzt Winter, und Zweiflügler legen normalerweise ihre Eier nicht ab, wenn die Temperaturen unter vierzehn Grad fallen, nachts übrigens auch nicht. Aber, wie gesagt, manche Skelette sind schon lange hier, mindestens seit letztem Sommer. Außerdem ist der Eingang des Tunnels nicht weit entfernt, tagsüber dürfte es hier nicht allzu dunkel sein, das würde eine Fliege nicht abhalten. Sie findet ein Aas auf mehrere Kilometer Entfernung.«
    Annabel wandte sich zu diesen Überresten menschlichen Lebens um, ihr Blick fiel auf einen sehr kleinen Brustkorb.
    Was Fielding da behauptete, war völlig verrückt.
    Sie lehnte sich an den Türrahmen und fühlte seinen Blick. Schließlich meinte er: »Ja, wenn sich keine Insekten dafür interessiert haben, kann das nur heißen, dass sie schon in diesem Zustand hier angekommen sind. Es wurden keine Leichen aus Fleisch und Blut hierher gebracht, sondern Skelette.«

38
    Brolin fühlte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief und sich seine Nackenhaare aufstellten. Er hatte sich reinlegen lassen.
    Der Typ, den er gerade noch verfolgt hatte, war genau hinter ihm. Wie zur Bestätigung drang der schnelle, hechelnde Atem zu ihm herüber. Die Waffe glitt ihm fast aus der schweißnassen Hand.
    Plötzlich fiel der Stress von ihm ab. Seine Lippen deuteten sogar ein Lächeln an. Was auch geschehen mochte, wichtig war, jetzt zu handeln. Die Erfahrungen der letzten Jahre nahmen ihm jede Angst. Er schnellte herum, hob den rechten Arm und richtete die Tod bringende Waffe auf sein Gegenüber.
    Er entdeckte die Augen des anderen, die starr und ohne zu blinzeln auf ihn gerichtet waren.
    Gelbe Reißzähne ragten aus dem Maul.
    Brolin schlug die Hand vors Gesicht.
    Ein verdammter Hund!
    Das alles wegen eines großen haarigen Bastards, der ihn neugierig, ohne jede Aggressivität und sogar ein wenig ängstlich anblickte. Der Privatdetektiv steckte seine Glock zurück in den Halfter und streckte die Hand nach dem Tier aus. Es ließ sich streicheln, freute sich, ein wenig Zuneigung zu erhalten. Brolin lachte leise.
    Der pfeifende Atem des Lagerhauses strich jetzt über sie beide hinweg, ein flaches, fast ersterbendes Keuchen.
    »Was machst du denn hier? Jagst den Besuchern Angst ein, was?«
    Nach anfänglichem Zögern leckte ihm der Hund die Hand, seine Augen leuchteten, und Brolin hatte den Eindruck, dass er weinte. Er war mager, hatte schmutziges Fell und zitterte.
    Brolin genoss eine Weile diese unerwartete Gesellschaft, dann wandte er sich ab. Er hatte Wichtigeres zu tun, als sich mit einem streunenden Köter abzugeben. Er ging, gefolgt von dem Hund, noch einmal hinunter in den Raum, der mit Pappe ausgelegt war. Er fand die zerknüllten Papierfetzen wieder und ließ sich in einer Ecke nieder, um die Schrift zu entziffern. Der Hund setzte sich auf die Schwelle und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen.
    Der

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