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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Gewerbegebiet am Ufer des East River. Saphir sprang fröhlich umher und schnüffelte an allem, was ihm vor die Nase kam. Der Hund schien in seinem neuen Leben aufzublühen. Das Trio lief über einen von Aluminiumzäunen gesäumten Weg, vorbei an einem verlassenen Gebäude und über einen verrotteten Holzkai. Um einige der Bretter, die gefährlich knarrten, machten sie einen Bogen und stiegen ein paar wurmstichige Stufen zum Ufer hinunter. Die Bucht lag majestätisch vor ihnen wie eine Quecksilberwüste, in der sich die tiefen rasch vorbeiziehenden Wolken spiegelten.
    »Schauen Sie sich um, Annabel. Was sehen Sie?«, fragte der Privatdetektiv.
    Als sie nicht antwortete, wiederholte er: »Schauen Sie sich um, sagen Sie mir, was Sie sehen?«
    Ihr Blick streifte ihn und wanderte dann zu dem Wald aufragender Türme von Manhattan. Wie gigantische Raketen ragten sie in den Himmel. Gegenüber war das Ufer von New Jersey mit seinen Kränen in winterlichen Dunst getaucht. Hinter Annabel stieg der steile Hügel von Brooklyn Heights an, an dem weder Erde noch Bäume zu erkennen waren, nur von Menschen errichtete Bauten wie auf einem übervollen Monopoly-Spielbrett. Der Expressway zog sich wie ein schmutziges lärmendes Band hindurch. Die junge Frau hatte sich einmal um sich selbst gedreht. Das Plätschern der Wellen erregte ihre Aufmerksamkeit. Auf dem Wasser schwammen Plastiktüten wie industrielle Quallen. Dazwischen tänzelte ein leerer Kanister auf der Oberfläche, daneben dümpelte ein Kondom. Der Mensch war allgegenwärtig. Der siegreiche Eroberer einer wehrlosen Erde.
    Annabel schaute gekränkt zu Brolin und sagte leise: »Ich weiß nicht … eine Landschaft … freudlos und trist?«
    Brolin stimmte ihr mit einem leichten Nicken zu. Seine schwarzen Haarsträhnen umspielten seine Wangen. Er sprach ohne jede Emotion, eine bloße Feststellung.
    »So sieht es aus: Industrialisierung, Umweltverschmutzung, aber darüber hinaus, was jeder von uns von früh bis spät sieht: Konsum, Konsumwahn, überall. Die Werbung überflutet uns mit immer mehr neuen Ideen, die sie noch heimtückischer macht und ihre Wirkung steigert. Tagtäglich sind wir mit einer Welt konfrontiert, die nur noch vom Marketing lebt, von der Analyse der Kommunikation, und zwar nicht mit einem menschenfreundlichen Ziel, o nein, es geht nur um Konsumsteigerung. Das ist das einzige Ziel dieser Gesellschaft, und da ist auch die Religion keine Ausnahme. Heute sind Glaubensrichtungen keine Überzeugungen mehr, sondern Entscheidungen! In Zeitschriften werden die Vor- und Nachteile der Religionen gegeneinander abgewogen. Man wählt eine spirituelle Richtung und kann sie mehrmals im Leben beliebig ändern. Religion ist nur noch Mittel zu einem besseren Leben. Man lebt nicht mehr für einen Gott, man glaubt nur zum eigenen Vorteil an ihn, er wird einem verkauft wie ein spirituelles Anxiolytikum, ein angstlösendes Mittel, das es für jedes Problem gibt.«
    Annabel lehnte sich an einen der Brückenpfeiler und wartete, worauf der Privatdetektiv hinaus wollte.
    »Wir leben nicht mehr, um reine Luft zu atmen«, fuhr er fort, »um zu lieben und die kurze Zeit zu genießen, die wir im Einklang mit der Natur auf Erden verbringen. Nein, wir gleiten allmählich in ein synthetisches Modell ab. Wir machen uns zu Robotern, definieren uns zunehmend über unseren Besitz und unsere Arbeitszeit. Schauen Sie, Annabel, schauen Sie sich um. Auf wen hören wir? Wer lenkt diese Gesellschaft? Wem gehorchen wir? Den Verbrauchern, den Produzenten, den Konformisten, den Robotern dieser Erde.«
    Ein bitteres Lächeln spielte um seine Lippen. Annabel schüttelte den Kopf, sie teilte zwar grundsätzlich seine Auffassung, doch er ging trotzdem etwas zu weit. Sie unterbrach ihn: »Übertreiben Sie nicht, wir sind doch nicht in einem Science-Fiction-Film!«
    »Nein, denn ein Roman, der vor einhundert oder zweihundert Jahren unsere aktuelle Welt beschrieben hätte, wäre zweifellos als absurd und als unvorstellbarer Horror abgetan worden. Sie finden, dass ich zu dick auftrage? Und doch ist das alles wahr. Früher lebte der Mensch oder überlebte, um Kinder zu bekommen, um eine Frau zu lieben. Früher glich die Gesellschaft einer Pyramide, oben die wenigen Herrschenden, unten die Beherrschten. Letztere wurden ausgebeutet, oft als Kanonenfutter benutzt. Die Lebenserwartung war gering. Die Menschen suchten ihr Glück in den einfachen Dingen des Lebens, lieben und am Leben bleiben. Das Wesentliche.
    ›Die

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