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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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worden war, stiegen sie über eine Blutlache hinweg und gingen weiter in sein Schlafzimmer. Das Mobiliar bestand aus einem alten Bett, einem großen Schrank und einem Fernseher. Der Officer öffnete die Tür des Schranks, in dem einige wenige Kleidungsstücke hingen.
    »Da drin?«, fragte Thayer verwundert.
    »Nein, es ist …«
    Plötzlich funkte es bei Thayer.
    »Sagen Sie bloß, dieser Dreckskerl hat da einen Geheimgang eingerichtet?«
    »Genau das. Er hat den Zugang zum Nachbarzimmer mit dem Schrank verstellt, dessen Rückwand man entfernen kann«, erklärte Raglin. Der junge Polizist zog ein Brett heraus.
    »Das ist ganz einfach und in zehn Sekunden bewerkstelligt, nur auf die Idee muss man erst mal kommen. Aber ich warne Sie … Kein schöner Anblick da drin.«
    Im selben Moment stieg ihnen der Geruch in die Nase, eine Mischung aus Weihrauch, chemischem Desodorant und Verwesung, vor allem Letzteres war für einen erfahrenen Polizisten wie Thayer sofort erkennbar. Er zog ein Taschentuch heraus und drückte es sich auf die Nase, Annabel folgte seinem Beispiel. Sie bückten sich, um in den Schrank treten zu können und in den Raum auf der anderen Seite zu gelangen. Dabei hatte Thayer das Gefühl, das Tor zur Hölle zu durchschreiten, und bereitete sich darauf vor, den schmerzhaften Biss des Zerberus zu verspüren. Doch was er entdeckte, war eine Höhle des Wahnsinns, die irdische Behausung des Bösen.
    Es war eine kleine fensterlose Kammer, die in den unheimlichen Schein einer roten Glühbirne getaucht war. In einer Ecke ein Arbeitstisch, auf dem einige Blätter Papier lagen. Am Boden leere Flaschen eines Toilettenduftsprays. Auf der anderen Seite eine schmutzige, mit einer undurchsichtigen Flüssigkeit gefüllte Badewanne, aus der drei menschliche Gliedmaßen ragten.
    Das Taschentuch fest auf die Nase gepresst, trat Thayer näher. Als er sich über das makabere Bad beugte, sah Annabel, dass er die Augen schloss. Sie ging zu ihm und musste einen Brechreiz unterdrücken. Ein von Schlägen und vom Wasser verunstaltetes Gesicht trieb, den Mund zu einem grauenvollen letzten Flehen verzerrt, direkt unter der Oberfläche. Durch die ölige Schicht auf dem Wasser wirkte der haarlose Schädel fast schwarz. Es war, als wäre er auf der unteren Seite eingeklemmt und würde bitten, man möge ihn befreien, die geöffnete Hand neben dem Kopf, als wollte sie gegen die Oberfläche schlagen.
    Annabel sah das zweite Gesicht und beugte sich vor.
    Sie erbrach sich auf den schmutzigen Kachelboden, immer wieder, bis nichts mehr in ihrem Magen war.
    Als sie sich endlich wieder aufrichtete, stand Thayer mit offenem Mund vor ihr, sein Blick war über ihre Schulter gerichtet, in seinen Augen lag der stumme Wunsch, endlich aus diesem unerträglichen Albtraum zu erwachen. Auf das Schlimmste gefasst, drehte sich Annabel um.
    Einige Minuten stand sie da, außerstande, auch nur einen Ton herauszubringen.
    An der Wand, in der sich der Geheimgang befand, hingen Dutzende von Fotos in verschiedenen Formaten. Jedes zeigte eine andere Person – Frauen, Männer, Kinder. Alle Altersgruppen und Rassen waren in diesem Mosaik des Leidens vertreten. Und allen stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.
    Sie waren halb nackt, einige Körper wiesen Spuren von Misshandlungen auf, und alle blickten sie bittend ins Objektiv. Manche hatten die Hände gefaltet, andere standen kerzengerade oder scheu da, aber alle hatten sie denselben Ausdruck in den Augen. Sie flehten, dass all dies aufhören möge. Auf die eine oder andere Art.
    Nach einer Ewigkeit stieß Annabel mühsam in einem Tonfall, der ihr selbst fremd war, hervor: »Jack, wohin sind wir hier geraten?«
    Er schüttelte den Kopf und strich mit den Fingerspitzen über die Gesichter.
    »Wie viele mögen es sein? Achtzig? Hundert? Mein Gott, was ist das, lass es nicht wahr sein!«
    Seine Stimme zitterte, der philosophierende Polizist konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    »Hat Spencer Lynch das alles getan?«, fragte Annabel ungläubig.
    »Ich weiß es nicht. Sieh mal, die Fotos sind nicht aus demselben Material, der Untergrund, da ist …«
    Ein weißer, greller Lichtstrahl richtete sich auf sie.
    »Ich dachte, eine Taschenlampe könnte nützlich sein«, erklärte Brian Raglin, während er den Raum betrat, der früher einmal ein Badezimmer gewesen war.
    Mit einer Hand reichte er ihnen die Lampe, die andere hielt er schützend vor die Nase.
    »Wie das stinkt!«
    »Halt«, schrie Annabel. »Kommen Sie

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