In deinen Armen
gefülltes Handtuch. Als Enid die Sachen entgegennahm, bedachte er sie mit einem schnellen, aufmunternden Nicken.
Er konnte diesen Doktor genauso wenig leiden wie sie.
Kinman trat zurück und stellte sich neben Throckmorton.
Darauf bedacht, ihm nicht die Luftzufuhr zu blockieren, legte Enid das Handtuch über MacLeans Augen und Nase. Dann strich sie einen angefeuchteten Lappen über seinen Oberschenkel. An der Stelle, wo der Knochen die Haut durchbohrt hatte, war deutlich eine Vernarbung zu erkennen. Doch der Knochen war gerade und passgenau eingerichtet. Falls MacLean überlebte, dann würde er auch wieder laufen können. Enid war sich des Wunders bewusst.
»Frische Luft, während Sie ihn waschen!« Wie ein Zuschauer bei einem Tennismatch schaute Dr. Bridges von Fenster zu Fenster. »Die Kälte wird ihn umbringen!«
Enids Empörung wuchs erneut. »Dieser Raum war ein Mausoleum, kein Krankenzimmer. Wie soll MacLean wissen, dass es an der Zeit ist aufzuwachen, wenn man ihn wie im Gefängnis hält?«
»Aufwachen? Sie denken, er könnte aufwachen? Wir bekommen kaum Wasser in ihn hinein. Ich würde wirklich gerne wissen, wie Sie es besser machen wollen, junge Lady!« Die Barthaare des Doktors zitterten vor Groll. »Sie haben sein Bein ausgewickelt! Ich hoffe, Sie haben nicht auch das noch ruiniert.«
Das Bein mit einem Handtuch trocken tupfend, überdachte Enid die Lage. Mr. Throckmorton hatte keine Veranlassung, ihr zu vertrauen, wohingegen Bridges an der renommiertesten medizinischen Fakultät des Landes einen Doktortitel erworben hatte. Aber Enid
musste
bei MacLean bleiben. Er brauchte sie, wollte er überleben. Und die bewusstlose, ausgezehrte Gestalt auf dem Bett rührte an ihrer Seele. Sie wusste nicht, warum. Er hätte ihr nicht mehr bedeuten dürfen als jeder x-beliebige Patient.
Genau genommen würde sie an ihn gebunden bleiben, falls er überlebte, und frei sein, wenn er unter ihrer Obhut starb. Doch irgendetwas an diesem Mann berührte sie. Sogar bewusstlos verströmte er noch eine Aura der Stärke, der Macht, des Unwiderstehlichen. Sie würde alles tun – bitten, kämpfen und sogar dem Doktor schöntun –, um MacLean ins Leben zurückzuzerren. Alles andere war inakzeptabel.
Also streckte sie Bridges einen Olivenzweig hin, obschon der Gedanke, sich zu arrangieren, ihr den Hals zuschnürte. »Sie haben an seinem Bein hervorragende Arbeit geleistet, Dr. Bridges.« So erstaunlich es auch war, das hatte er. »Ein komplizierter Bruch, ich gratuliere.«
Ein drückendes Schweigen legte sich über den Raum, und Enid blickte auf.
»Ein arabischer Arzt hat den Knochen eingerichtet«, sagte Throckmorton.
Bridges schoss zu ihm herum. »Was für einen Unterschied soll das noch machen? Er stirbt doch so oder so!«
Throckmortons Mienenspiel erstarrte. Sein Blick wurde so eiskalt, dass die Temperatur im Raum merklich zu sinken schien. »Wollen Sie damit sagen, Sie haben
meinen Freund
nicht achtsam behandelt, weil Sie glauben, dass er ohnehin nicht zu retten ist?«
Dr. Bridges verfügte über keinerlei Feingefühl, denn er wagte doch tatsächlich zu antworten: »Ich habe für ihn getan, was ich konnte, aber derart schreckliche Verletzungen sind mir noch nie untergekommen. Er ist verloren, keine Frage.«
Throckmorton schnippte mit den Fingern und begab sich an Enids Seite.
Mr. Kinman packte derweil den protestierenden Doktor am Arm und schaffte ihn nach unten.
»Ich habe nach dem allerbesten Arzt verlangt«, sagte Throckmorton, eiskalten Zorn in der Stimme. »Und was habe ich bekommen?«
Die Angst, die Enid die Kehle abgeschnürt hatte, legte sich. »Dr. Gerritson, der Arzt, bei dem ich gelernt habe«, erklärte sie mit behutsamem, nicht wertendem Tonfall, »pflegte zu sagen, dass es immer dann Probleme gibt, wenn ein Arzt an die eigene Unfehlbarkeit glaubt.«
»Hört sich nach einem klugen Mann an. Wie kam es, dass Sie bei ihm gelernt haben?«
»Nachdem MacLean mich hat sitzen lassen, musste ich seine Schulden abbezahlen. Also habe ich unserem Dorfarzt bei der Behandlung sämtlicher Krankheiten und Verletzungen assistiert. Ich falle beim Anblick von Blut nicht in Ohnmacht – ich habe im Waisenhaus so viel mitangesehen, dass mir von nichts mehr übel wird. Nachdem ich Dr. Gerritson dabei geholfen hatte, das gebrochene Schlüsselbein des Stallknechts einzurichten, hat er mir eine Stelle angeboten. Seine Frau hat gesagt, er sei zu alt, so schwer zu arbeiten. Sie hatte Recht. Drei Jahre später ist er
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