In deinen Augen
vielleicht auch Pferdepisse. Der andere enthielt Kaffee. Davon nahm ich einen Schluck. Er schmeckte bitter und komplex, mit gerade genug Milch und Zucker, um ihn trinkbar zu machen.
»Das«, sagte sie, »war meiner.«
Ich grinste sie an. Mir war nicht nach Lächeln, was ich mit einem umso breiteren überspielte. »Jetzt ist es meiner. Was bedeutet, wir sind beinahe quitt.«
»Mann, Cole, was soll das denn? Quitt wofür?«
Ich blickte sie an und wartete darauf, dass sie es von allein begriff. Fünfzig Punkte, wenn sie es innerhalb von dreißig Sekunden kapierte. Zwanzig für eine Minute. Zehn Punkte, wenn sie … Isabel verschränkte bloß die Arme und sah aus dem Fenster, als rechnete sie jeden Moment damit, dass die Paparazzi über uns herfielen. Sie war so wütend, dass ich es sogar riechen konnte. Wie ein Feuer brannte sich der Geruch in meine Wolfssinne; meine Haut kribbelte. Verborgene Instinkte drängten mich zu reagieren. Zu kämpfen. Zu flüchten. Nichts schien wirklich passend. Als sie nichts sagte, schüttelte ich den Kopf und formte die Hand neben meinem Ohr zu einem Telefonhörer.
»Oh«, machte Isabel ungläubig. »Im Ernst? Immer noch? Die Anrufe? Ach komm, Cole. Als hätte ich mich darauf jemals eingelassen. Du bist pures Gift.«
»Gift?«, wiederholte ich. Es wäre eine glatte Lüge, wenn ich behaupten würde, ich wäre nicht geschmeichelt gewesen. Dieses Wort hatte eine verführerische Kraft. Gift. »Tja, Giftigkeit. Eine meiner formidabelsten Eigenschaften. Führst du dich so auf, weil ich nicht mit dir geschlafen habe? Lustig, normalerweise schreien mich eher die Mädchen an, mit denen ich gevögelt habe. «
Sie stieß ihr hartes, kleines Lachen aus: Ha. Ha. Ha. Mit klappernden Absätzen umrundete sie die Theke und stellte sich neben mich. Ihr Atem war heiß in meinem Gesicht; ihre Wut noch lauter als ihre Stimme. »Ich führe mich so auf, weil ich vor gerade mal zwei Nächten genauso nah wie jetzt vor dir gestanden habe und dir beim Zucken und Sabbern zugucken musste, wegen irgendeinem Mist, den du dir in die Adern gespritzt hast. Ich hab dich einmal aus diesem Loch rausgezogen, Cole. Ich steh sowieso schon ziemlich dicht am Abgrund. Da kann ich mich nicht mit jemandem abgeben, der schon unten ist. Du ziehst mich runter.«
Und wieder war es wie jedes Mal, wenn Isabel ihren Zauber auf mich ausübte. Dieses winzige Stückchen Ehrlichkeit von ihr – und viel war es wirklich nicht – nahm mir völlig den Wind aus den Segeln. Die Wut, die mich zuvor erfasst hatte, war seltsam schwer aufrechtzuerhalten. Langsam, erst einen, dann den anderen, nahm ich die Füße von der Theke und drehte mich auf dem Hocker so, dass ich sie ansah. Statt zurückzuweichen, um mir Platz zu machen, blieb sie, wo sie war, und stand nun zwischen meinen Beinen. Eine Herausforderung. Oder vielleicht auch eine Kapitulation.
»Das«, sagte ich, »ist gelogen. Du hast mich doch nur da unten im Kaninchenbau gefunden, weil du selbst schon längst drin warst.«
Sie stand so dicht vor mir, dass ich ihren Lippenstift riechen konnte. Mir war schmerzhaft bewusst, dass sich zwischen ihren Hüften und meinen Oberschenkeln nur wenige Zentimeter Luft befanden.
»Ich gucke bestimmt nicht dabei zu, wie du dich umbringst«, erklärte Isabel. Eine ewig lange Minute verging, in der wir nichts hörten außer dem Dröhnen eines Lieferwagens, der draußen auf der Straße vorbeifuhr. Ihr Blick ruhte auf meinem Mund, doch plötzlich sah sie weg. »Mein Gott, ich kann hier nicht bleiben. Sag Sam einfach, ich rufe ihn an.«
Ich streckte die Hände aus und legte sie auf ihre Hüften, als sie versuchte, sich abzuwenden. »Isabel«, sagte ich. Einer meiner Daumen berührte nackte Haut, knapp über dem Bund ihrer Jeans. »Ich hab nicht versucht, mich umzubringen.«
»Was denn dann, warst du vielleicht mal wieder auf der Suche nach der nächsten Dröhnung?« Sie versuchte abermals, sich umzudrehen; ich hielt sie fest. Nicht genug, um sie wirklich aufzuhalten, aber sie wich auch nicht vehement genug zurück, um sich loszureißen, also blieben wir, wo wir waren.
»Ich wollte mich nicht zudröhnen. Ich hab versucht, zum Wolf zu werden.«
»Von mir aus. Ist doch dasselbe in Grün.« Jetzt sah sie mich nicht mehr an.
Ich ließ sie los und stand auf, sodass wir uns gegenüberstanden. Schon vor langer Zeit hatte ich gelernt, dass eine der besten Waffen in meinem Arsenal die Fähigkeit war, Leuten auf die Pelle zu rücken. Sie hob den Kopf, um mich
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