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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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nicht glaubte, dass sie mir das auf eine Weise versichern könnte, die mich überzeugen würde. Ich löste die Hände voneinander; mir wurde klar, dass ich mit dem Daumen über eins meiner vernarbten Handgelenke gerieben hatte.
    Amys Stimme war fest. »Egal, was kommt.«
    Und ich glaubte ihr nicht.

KAPITEL 21
ISABEL
    Das Problem mit Cole St. Clair war, dass man ihm alles glauben konnte, was er sagte – aber genauso gut konnte man ihm auch absolut gar nichts glauben. Denn er war einfach so größenwahnsinnig, dass man ihm leicht abnahm, er könnte das Unmögliche möglich machen. Gleichzeitig aber war er so ein unglaublicher Drecksack, dass man ihm keinen Zentimeter über den Weg traute.
    Das Problem war, dass ich ihm glauben wollte.
    Cole hakte die Daumen in seine Gesäßtaschen, wie um mich zu überzeugen, dass er mich nicht berühren würde, solange ich nicht den ersten Schritt machte. Mit all den Büchern im Hintergrund sah er aus wie eins von diesen Postern, wie man sie manchmal in Bibliotheken sah – die, auf denen irgendwelche Berühmtheiten für Bildung warben. COLE ST. CLAIR SAGT: LESEN IST DER HIT! Er sah aus, als ob er sich da oben auf seiner moralisch überlegenen Position prächtig amüsierte.
    Und er sah verdammt gut aus.
    Plötzlich musste ich an einen Fall denken, an dem mein Dad mal gearbeitet hatte. An die Einzelheiten erinnerte ich mich nicht mehr genau – wahrscheinlich warf ich im Kopf sogar mehrere Fälle durcheinander –, aber es ging um irgendeinen Loser, der in der Vergangenheit schon mal verurteilt worden war und jetzt wegen eines anderen Vergehens vor Gericht stand. Meine Mom hatte so was gesagt wie Im Zweifel für den Angeklagten. Die Antwort meines Vaters darauf hatte ich nie vergessen, denn das war meiner Meinung nach die erste und einzige kluge Aussage, die ich je von ihm gehört hatte: Menschen ändern sich nicht. Sie ändern nur manchmal ihr Verhalten.
    Wenn mein Vater also recht hatte, dann bedeutete das, dass hinter diesen grünen Augen, die mich so ernst ansahen, derselbe alte Cole steckte, immer noch genauso dazu in der Lage, sternhagelvoll auf dem Boden zu liegen und darauf zu warten, dass er den Mut fand, sich umzubringen. Ich wusste nicht, ob ich das noch mal durchstehen würde.
    Schließlich sagte ich: »Und dein Heilmittel für den Werwolfismus ist … Epilepsie?«
    Cole stieß ein gleichgültiges Schnauben aus. »Ach was, das war nur eine Nebenwirkung. Das krieg ich schon noch hin.«
    »Du hättest sterben können.«
    Er lächelte, dieses breite, umwerfende Lächeln, von dem er genau wusste, wie breit und umwerfend es war. »Bin ich aber nicht.«
    »Ich glaube nicht, dass das zählt«, sagte ich. »Als nicht selbstmordgefährdet, meine ich.«
    Coles Stimme klang abfällig. »Nur weil ich ein paar Risiken eingehe, bin ich noch lange nicht selbstmordgefährdet. Sonst bräuchten Fallschirmspringer ernsthaft Hilfe.«
    »Nur dass Fallschirmspringer, wie der Name schon sagt, wenigstens Fallschirme haben!«
    Cole zuckte mit den Schultern. »Und ich hatte dich und Sam.«
    »Wir wussten doch noch nicht mal, was du –« Ich brach mitten im Satz ab, weil mein Handy klingelte. Ich trat einen Schritt von Cole weg, um einen Blick auf das Display zu werfen. Mein Dad. Wenn es je einen Zeitpunkt gegeben hatte, an dem ich einen Anruf auf die Mailbox hatte gehen lassen wollen, dann war das jetzt, aber nach der Predigt, die mir meine Eltern gestern gehalten hatten, musste ich wohl rangehen.
    Mir war klar, dass Cole mich beobachtete, als ich das Handy aufklappte. »Ja, was ist denn?«
    »Isabel?« Mein Vater klang überrascht und irgendwie … beschwingt.
    »Es sei denn, du hast noch eine andere Tochter«, erwiderte ich. »Was so einiges erklären würde.«
    Mein Vater tat, als hätte ich gar nichts gesagt. Er klang immer noch verdächtig gut gelaunt. »Ich hab deine Nummer aus Versehen gewählt. Eigentlich wollte ich deine Mutter anrufen.«
    »Tja, jetzt hast du aber mich erwischt. Was wolltest du denn von ihr? Du klingst ja, als wärst du high.« Coles Augenbrauen hoben sich.
    »Nicht diese Ausdrucksweise«, tadelte mein Vater automatisch. »Marshall hat mich gerade angerufen. Dieses Mädchen war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Er hat die Bestätigung, dass unser Wolfsrudel von der Artenschutzliste gestrichen wird, und sie sind schon dabei, eine Treibjagd in die Wege zu leiten. Und diesmal übernimmt das der Staat – nicht irgendwelche Hinterwäldler mit

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