In den Armen der Nacht
bestand.
»Wir können sie nicht nehmen. Eine Situation wie die, in der wir uns befinden, war niemals vorgesehen. Wenn Grant und Keelie bei einem Unfall umgekommen wären, hätten wir Nixie und Coyle genommen.«
»Aber weil sie ermordet worden sind, nehmen Sie ihre Tochter nicht?«
»Lieutenant«, begann Dave, aber wieder legte Jenny eine Hand auf seinen Arm.
»Wir können sie nicht nehmen. Wir schaffen es ganz einfach nicht. Mein Baby ist tot.« Sie presste ihre Hände vor den Mund. »Wir haben Keelie und Grant und auch
ihre Kinder geliebt. Sie waren für uns fast so etwas wie Familie.«
»Die wenigen Verwandten, die das Mädchen hat, haben nicht das mindeste Interesse daran, sich um sie zu kümmern«, warf Eve eilig ein. »Ihre Eltern haben Sie nicht ohne Grund als Vormünder ausgewählt.«
»Glauben Sie, das weiß ich nicht?«, fuhr Jenny sie beinahe zornig an. »Glauben Sie, ich würde nichts für sie empfinden trotz der Trauer um mein eigenes Kind? Ein Teil von mir würde sie am liebsten in die Arme nehmen und ganz fest an mich ziehen. Aber der andere Teil von mir schafft es nicht mal, ihren Namen auszusprechen. Dieser andere Teil von mir würde es einfach nicht ertragen, sie zu sehen und zu berühren, nachdem mein eigenes Kind ermordet worden ist.«
Tränen rannen ihr über die Wangen. »Dieser Teil von mir kann einfach nicht aufhören zu denken, dass sie hätte ermordet werden sollen und nicht mein eigenes Kind. Dass wir heute sie zu Grabe tragen sollten und nicht meine Linnie. Auch wenn ich es hasse, dass ich so empfinde, Lieutenant, sind diese Gefühle einfach da.« Sie atmete zitternd aus. »Und sie werden niemals aufhören. Ich werde sie nie ansehen können, ohne mich zu fragen, weshalb nicht sie gestorben ist, ohne mir zu wünschen, dass sie gestorben wäre und dass mein eigenes Kind noch lebt. Und mein Mann … ich glaube, er würde ganz einfach verrückt.«
»Nixie hat keine Schuld an dem, was in der Nacht passiert ist.«
»Oh, das ist mir klar. Das ist mir völlig klar. Aber ich frage mich, wie lange es dauern würde, bis sie sich selbst die Schuld an allem geben würde, wenn sie bei uns leben und täglich mit ansehen müsste, wie es uns beiden geht.« Damit stand sie auf. »Mein Mann braucht mich.«
»Jenny, ich müsste noch kurz mit dem Lieutenant sprechen. «
»Sprecht, so lange ihr wollt. Ich fahre schon mal vor. Ich möchte jetzt alleine sein. Ich brauche einen Augenblick für mich.«
»Ich weiß nicht, ob ich sie einfach gehen lassen soll.« Als sie eilig den Raum verließ, stand Dave unentschlossen auf.
»Warten Sie.« Eve zog ihr Handy aus der Tasche und bestellte zwei Ermittler in Zivil, die Jenny Dyson verfolgen sollten, um sich davon zu überzeugen, dass sie sicher nach Hause kam.
»Sie ist ein guter Mensch, Lieutenant. Ich weiß, wie ihre Entscheidung auf Sie wirken muss, aber es fällt ihr ganz bestimmt nicht leicht, sich ihrer Verantwortung für Nixie zu entziehen.«
»Das sollte es auch nicht. Sind die Familiengerichte nicht zum Schutz der Kinder da?«
»Zum Schutz der Familie und um zu entscheiden, was das Beste für die Familien und vor allem für die Kinder ist. Nachdem ich mit Jenny gesprochen und Matt gesehen habe, kann ich nicht mehr guten Gewissens behaupten, dass es in Nixies Interesse wäre, wenn sie gezwungen würden, sie bei sich aufzunehmen, nur, weil das der Wunsch der Eltern war.«
»Sie könnten noch ein paar Tage mit dem Antrag warten. Vielleicht überlegen sie es sich ja noch einmal.«
»Ich muss den Antrag dann stellen, wenn sie es will. Aber ich kann und werde das Verfahren etwas verlangsamen. Obwohl ich Ihnen versichern kann, dass ihre Entscheidung unumstößlich ist. Sie werden die Stadt nach der Beerdigung verlassen. Sie haben bereits Vorkehrungen für den Umzug aufs Land zu Jennys Familie getroffen. Matt hat Urlaub genommen, und sie hat ihre Praxis
zugemacht. Es ist …« Er hob unglücklich die Hände, ließ sie wieder fallen und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Ihr bisheriges Leben wurde auf einen Schlag zerstört. Vielleicht gelingt es ihnen, sich ein neues Leben aufzubauen, was ich nur für sie hoffen kann. Aber es wird nie wieder so, wie es einmal war. Nixie ist ein Teil des Lebens, das sie verloren haben. Sie können und sie werden sich nicht täglich von ihr daran erinnern lassen, was ihnen genommen worden ist. Ich werde für Nixie alles tun, was in meiner Macht steht. Vielleicht kann ich vorübergehend selbst die Vormundschaft für
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