In den Armen des Dämons: Roman (German Edition)
leicht um und zog ihr grob den Helm vom Kopf. » Steig ab!«, befahl er.
Ihre Beine zitterten, als sie vom Motorrad glitt, und sie hatte Mühe, das Gleichgewicht zu wahren. Xias Finger waren immer noch fest um ihr Handgelenk geschlossen. Carson riss sich das Klebeband vom Mund und atmete tief die frische Luft ein.
Wenn er clever war, würde er sie von der Straße wegbringen, sie zwischen die Lagerhäuser ziehen oder auf irgendeinen Hinterhof. Unwillkürlich spannte sie sich an, bereit, loszusprinten, sobald er sie losließ. Gleichzeitig verspürte sie eine merkwürdige Leichtigkeit, das musste die Furcht sein, und ihr Kopf war ganz klar. Sie würde quer über die Straßen rennen, dann im Schatten des größten Gebäudes untertauchen. Das war am klügsten.
Xia zog sie an sich, sah sie abschätzend an. » Ich werde dich wiederfinden«, sagte er. » Wo auch immer du sein wirst, ich werde dich aufspüren.«
» Ich habe Ihnen doch gar nichts getan«, erwiderte sie, und erst dann begriff sie. Er ließ sie laufen!
Sie starrte ihn an, Schatten lagen über seinem Gesicht. » Geben Sie mir den Talisman zurück«, bat sie und streckte eine Hand aus, als müsse er ihr gehorchen. Als ob sie die Königin der Welt wäre und er ein Nichts.
» Genau wie alle anderen Magier«, stieß Xia hervor. Ärger ließ ihn die Lippen zusammenpressen und seine Augen unnatürlich leuchten. » Du hast mir gar nichts zu sagen, Hexe, und deshalb lautet die Antwort Nein.«
» Geben Sie ihn zurück, bevor Nikodemus Sie findet und ihn sich zurückholt.«
» Verpiss dich.«
Er stülpte sich den Helm über, sodass sie nicht länger diese unglaublich blauen Augen sehen konnte. Dann stieß er sie weg, so hart, dass sie stürzte und sich die Ellbogen aufschlug.
Das Dröhnen des Motors klang überlaut in ihren Ohren, als er die Maschine anließ, und sie drehte den Kopf vom Auspuff weg. Doch als Xia losfuhr, schaute sie ihm hinterher, und alles, woran sie denken konnte, war, dass er nun den Talisman besaß und Nikodemus denken musste, dass sie die Statue ein weiteres Mal mitgenommen hatte. Dass sie ihm nicht vertraut und ihn betrogen hatte, so wie das Magiergeschlecht stets die Dämonen betrog.
Das Motorradgeräusch wurde immer leiser. Sie war allein. Aus der Ferne konnte sie das Brausen der Autos auf einem Highway hören. Doch hier in dieser Straße war alles still.
Carsons ganzer Körper schmerzte. Vorsichtig setzte sie sich auf, und erst, als ihr nicht mehr schwindelig war, wagte sie es aufzustehen und tastete vorsichtig ihren Körper ab. Sie zitterte. Gebrochen war nichts, aber sie hatte überall Prellungen und Kratzer. Ihre Kopfschmerzen, die in Nikodemus’ Haus fast verschwunden waren, kehrten mit aller Macht zurück. Na wunderbar. Auch der Wind und die Feuchtigkeit des Nebels machten ihr zu schaffen. Und nun, da sie nicht länger von dem Gedanken abgelenkt war, dass sie ihr Leben verlieren könnte, spürte sie wieder die Kälte.
Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wo sie sich befand. Und sie besaß keinen Cent. Ihre Handtasche lag noch in Nikodemus’ Haus, dennoch suchte Carson in ihren Taschen nach Geld. Und fand natürlich nichts.
Sie ging los. Hügelabwärts, da Xia die meiste Zeit hügelaufwärts gefahren war. Die Straßen waren breit und dunkel, kaum erhellt von den wenigen Straßenlaternen; hier gab es nichts außer mit Ketten verschlossene Tore und den Geruch nach Asphalt und Teer.
Wie hatte es nur passieren können, dass ihre Welt sich so plötzlich in einen gefährlichen Ort verwandelt hatte? Sie war mitten in einen Krieg geraten. Und sie hatte den dummen Verdacht, dass sie nicht auf der Seite der Guten stand, falls Nikodemus recht hatte und sie tatsächlich eine Hexe war.
Carson stolperte über ein Metallrohr, knapp vierzig Zentimeter lang, an einem Ende schon angerostet. Sie hob es auf, es war besser als gar keine Waffe. Sie wusste nicht, ob Nikodemus nach ihr suchen würde, doch irgendwo da draußen hielt Kynan immer noch nach ihr Ausschau. Sie wollte nicht völlig wehrlos sein, wenn er sie fand.
Ab und zu wurde sie von einem Auto überholt. Laute Musik dröhnte heraus, die wummernden Bässe schmerzten in ihren Ohren. Eines wurde langsamer und fuhr neben ihr her. Sie ignorierte die Blicke, die Zurufe und Gesten, umklammerte lediglich das Rohr ein bisschen fester. Den Kopf gesenkt, marschierte sie weiter, hielt auf die fernen Lichter und das Brausen des Verkehrs zu.
Das ständige Abwärts-Gehen machte sich irgendwann
Weitere Kostenlose Bücher