In den Armen des Fremden
nie.“
Gut, dass sie die Fähigkeit, anderen etwas vorzumachen, nicht verloren hatte. Schulterzuckend erwiderte sie: „Wenn man so erzogen wird wie ich, lernt man, seine Gefühle nicht zu zeigen.“
„Ja, ich glaube, das kannst du wirklich verdammt gut“, bemerkte Ford mit einem Anflug von Bitterkeit. Aber Kitty wollte sich im Augenblick keine Gedanken darüber machen, was genau er damit meinte.
Ohne auf seine Worte einzugehen, sagte sie: „Kein Grund zur Sorge.“
„Bis du sicher?“
„Lass es mich so sagen: Wenn ich diese Nacht schwanger geworden wäre, wäre das ein medizinisches Wunder.“
Zum Glück fragte er nicht weiter. Trotzdem wagte Kitty erst aufzuatmen, als sie die Haustür hinter ihm geschlossen hatte.
Vielleicht war es auf den Schreck mit der Schwangerschaft hin unvermeidlich gewesen, dass sie so etwas Dummes getan hatte, wie mit Ford zu schlafen.
Sie stand lange in der Küche, trank Kaffee und suchte nach einer Rechtfertigung für ihr Verhalten.
Am liebsten hätte sie sich mit ihrem Zeichenblock und einem MP3-Player ins Bett gelegt, um den ganzen Tag friedlich und alleine zu verbringen. Natürlich würde daraus nichts werden.
Denn bereits am Montag würde Ford sie drängen, den Vertrag mit FMJ unter Dach und Fach zu bringen. Egal was passieren würde, Kitty konnte sich nicht leisten, noch einmal mit ihm zu schlafen. Dafür stand zu viel auf dem Spiel, für Biedermann’s und für sie. Schließlich war sie …
Kitty riss sich aus den Gedanken und starrte in ihre Tasse, die fast leer war. Vermutlich sollten schwangere Frauen keinen Kaffee trinken! Sie schüttete den Rest in die Spüle und wusch die Tasse ab. Gleich am Montag sollte Casey nachschauen, welche Wirkungen Koffein in der Schwangerschaft hatte.
Beim Abtrocknen der Tasse hielt Kitty inne. Ja, das wäre es, dachte sie belustigt. Nicht nur, dass ich mich bei den unpassendsten Gelegenheiten übergeben muss, ich lasse auch noch meine Sekretärin recherchieren, wie Koffein auf ungeborene Babys wirkt. So kommt sicher niemand darauf, dass ich ein Kind erwarte …
Irgendwann musste sie Ford Bescheid sagen, aber so weit war sie noch nicht. Sie brauchte erst Zeit, um mit dem Gedanken fertigzuwerden. Erst wollte sie herausfinden, was sie für das winzige Ungeborene empfand und was es für ihr Leben bedeutete.
Wie Ford wohl reagieren würde? Aber egal wie – Kitty war klar, dass sie sich auf jeden Fall seelisch wappnen musste, bevor sie mit ihm sprach.
Wie lange konnte sie damit zurechtkommen, ihm nichts zu sagen? Vielleicht noch ein paar Tage … Sie wusste, dass sie ihm Bescheid geben musste, und zwar bald.
Schon bei dem Gedanken wurde ihr wieder übel. Schnell ging sie ins Badezimmer – doch glücklicherweise wurde ihr dort wieder besser, wenn sie sich auch noch ein wenig seltsam fühlte. Der leichte Minzgeschmack der Zahnpasta half. Als sie den Zahnputzbecher zurück in das Badezimmerschränkchen stellte, fiel ihr Blick auf die zwei Schwangerschaftstests.
Auf dem Heimweg von der Wohltätigkeitsveranstaltung hatte sie den Taxifahrer an einer Apotheke anhalten lassen, die Nachtdienst hatte. Ihr hatte das Herz bis zum Hals geschlagen – vor Angst, dass jemand sie erkennen würde. Oder dass sich zumindest jemand über eine Frau im Abendkleid wunderte, die mitten in der Nacht zwei Schwangerschaftstests verlangte. Trotzdem hatte Kitty sich unbedingt Klarheit verschaffen müssen.
Als Ford hier aufgekreuzt war, hatte sie sich noch kein bisschen von dem Schock erholt gehabt. Und wieder hatte er sie unvorbereitet erwischt!
Aber ein drittes Mal würde das nicht passieren. Inzwischen hatte sie gelernt, wie sie mit ihm umgehen musste. Doch zunächst ging es um etwas anderes. Sie legte die Hand auf den Bauch.
Eigentlich sollte mich der Gedanke, schwanger zu sein, erschrecken, dachte sie. Doch aus irgendeinem Grund blieb sie völlig ruhig. Vielleicht weil bereits seit zwei Monaten Schwangerschaftshormone auf ihr Unterbewusstsein einwirkten? Wie auch immer.
Was war schon so schlimm daran, ein Baby zu bekommen? Ihr ganzes Leben lang hatte Kitty von einer größeren Familie geträumt. Wie hatte sie sich danach gesehnt, Brüder und Schwestern zu haben! Dutzende Male hatte ihre Großmutter ihr das Buch Little Women vorlesen müssen, das die Lebensgeschichte der vier Schwestern Meg, Jo, Beth und Amy erzählt.
Das Einzige, was sie noch mehr vermisst hatte als Geschwister, war eine richtige Mutter gewesen. Die Großmutter hatte ihr Bestes
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