In den Armen des Highlanders
Emily, die immer noch voller Stolz auf jene Tat zurückblickte.
Eine knappe Woche nach der Ankunft ihres Vetters auf Warwick hatten sie einander den Krieg erklärt. Godfried war ihr in tiefster Seele zuwider gewesen. Und dass er sie in ihrem eigenen H eim nach Herzenslust verspottete, missfiel ihr gründlich. Doch der zweistündige Aufenthalt im Schrank hatte ihn eines Besseren belehrt. Seitdem hatte er sie wesentlich freundlicher behandelt.
»Und mit der gleichen Miene hast du Vaters wertvollen Geierfalken freigelassen«, ergänzte Joanne.
Damit hatte Emily kein so erfreuliches Resultat erzielt. Zu jenem Zeitpunkt war sie erst fünf Jahre alt gewesen. Doch sie meinte immer noch, die schmerzhaften Schläge des Vaters auf ihrem Hinterteil zu spüren. Ihre Erklärung, sie habe dem gefangenen Falken vor lauter Mitleid die Freiheit geschenkt, war auf kein Verständnis gestoßen.
»Jedes Mal, wenn du so dreinschaust, führst du irgendeinen Unfug im Schilde«, beschwerte sich Joanne. »Was mag es diesmal sein? Das wage ich mir gar nicht vorzustellen, sonst bekomme ich eine Gänsehaut.«
Mit einer wegwerfenden Geste tat Emily die Worte ihrer Schwester ab. »Ich werde vielleicht Mittel und Wege finden, um zu erreichen, was ich schon immer wollte.«
»Und das wäre?«, fragte Joanne.
Emily musterte sie mit schmalen Augen. »Glaubst du, der Earl of Ravenswood ist wirklich so bösartig, wie unser Vater es behauptet?«
Unbehaglich runzelte Joanne die Stirn. »Was glaubst denn du?«
»Nun - ich überlege, ob Lord Draven vielleicht die Rose ist, die ich suche.«
»Um Himmels willen, ich flehe dich an! Komm bloß nicht auf die Idee, die ich befürchte! Du kennst doch die Geschichten, die man sich erzählt. Angeblich hat er seinen eigenen Vater getötet, nur zum Vergnügen.«
»Möglicherweise ist das nur ein Gerücht - so wie jenes, das unseren Vater einen barbarischen Verräter nennt. Und vorhin hast du selbst gesagt, dass er zwar streng, aber im Grunde doch herzensgut ist.«
»Man munkelt, der Earl of Ravenswood sei verrückt. Solche Geschichten hast auch du gehört. Er soll ein Dämon sein, der niemals schläft. Manche Leute erzählen sogar, der Teufel höchstpersönlich habe zur Rechten seines Throns einen Ehrenplatz für Lord Draven reserviert.«
Damit begrub Emily all ihre Hoffnungen. »Gewiss, du hast Recht. Was für ein dummer Gedanke! Wenn ich dieses Jahr unter dem Dach eines Wahnsinnigen verbracht habe, werde ich nach Warwick zurückkehren, um mein Leben in trostloser Einsamkeit zu fristen.«
Uber ihre Wange rollte eine Träne, die Joanne hastig wegwischte.
»Weine nicht, Em! Eines Tages wird deine Rose auf einem weißen Schlachtross heranreiten. Dieser edle Ritter wird Vaters Zorn trotzen und dich im Triumph von hier wegbringen, so wie Niles mich in sein Heim holen will.«
»Aber ich wünsche mir Kinder«, wisperte Emily. »Wenn der edle Ritter zu lange wartet, werde ich zu alt sein, um noch Mutterglück zu genießen oder meine Kin-der aufwachsen zu sehen. Wie ungerecht das Schicksal ist ...«
Liebevoll nahm Joanne sie in die Arme. »Das weiß ich, kleine Schwester. Wäre es möglich, dann würde ich Lord Ravenswood an deiner Stelle folgen ... Aber dieses Jahr wird vorübergehen, und ich verspreche dir, danach werde ich Vater bitten, dir einen Besuch in Niles’ Festung zu erlauben. Dort werden wir einen geeigneten Ehemann für dich aufspüren, das schwöre ich dir.«
»Bloß nicht Theodore!«, stöhnte Emily, bevor sie die Umarmung ihrer Schwester erwiderte. Joanne lachte leise.
Sie saßen schweigend beieinander, bis sie schlurfende Schritte im Flur hörten.
Dann erklang Lord Hughs Stimme. »Ich werde ihn töten! Und wenn es das Letzte ist, was ich auf dieser Welt tue! Die Augen werde ich ihm ausstechen und im Staub zertreten! Kein Mann soll meine Em bekommen! Beim rechten Arm des Allmächtigen, sie ist alles, was ich noch habe! Dieses Mädchen lasse ich mir nicht wegnehmen. Habt ihr mich verstanden?«, schrie er niemanden im Besonderen an. »Dieser elende Schurke wird mir niemals mein jüngstes Kind rauben!«
Während er die Turmtreppe hinabpolterte, verengte sich Emilys Kehle.
Die Augen sekundenlang geschlossen, erkannte sie die grausame Wirklichkeit. Es war sinnlos zu hoffen, dass er ein ganzes Jahr abwarten und sie in den Klauen seines Feindes lassen würde, wenn ihm nichts weiter als der Eid dieses Mannes das Wohl der Tochter sicherte. Dafür liebte er sie zu sehr und vertraute Lord Draven zu
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