In den Armen des Meeres
wirklich wollte, vermochte er oftmals nicht klar zu denken.
Cliff überraschte sie alle, indem er sagte: »Elysse O'Neill ist eine reizende junge Dame.«
»Ich glaube nicht, dass ich jemals zuvor eine schönere Frau getroffen habe«, erwiderte Montgomery knapp. »Oder eine so charmante.«
Alexi war fassungslos. Wollte Montgomery nur höflich sein – oder war er wirklich in Elysses Bann geraten? Er klang sehr ernsthaft. »Sei vorsichtig, mein Freund, oder sie wird dich schon bald an der Nase herumführen, wie sie es mit all ihren Verehrern tut.«
»Alexi!« Amanda sah ihn fassungslos und missbilligend an. »Das war schrecklich unhöflich!«
Alexi drehte die Untertasse herum. »Nun, ich sorge mich nur um meinen Freund. Es ist nicht nötig, dass ihm das Herz gebrochen wird. Elysse tut niemandem absichtlich weh«, fügte er hinzu und wusste, dass das stimmte. »Aber sie ist sehr kokett und sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst. Ich habe zugesehen, wie sie Verehrer sammelt, seit sie zwölf oder dreizehn war. Sie ist geübt darin. Und ehrlich gesagt scheint sie heute noch ungenierter, als sie es bei meiner Abreise war.«
Cliff schüttelte den Kopf. »Dieses Gespräch ist äußerst unangemessen, Alexi.«
»Es schadet nichts zu kokettieren«, sagte Amanda zu ihm. Es klang wie eine Zurechtweisung.
Montgomery fügte hinzu: »Bei mir zu Hause wird eine Lady, die die Männer nicht umgarnen kann, als seltsam angesehen. In Maryland gilt es geradezu als Kunst, zu kokettieren.«
Alexi verschränkte die Arme vor der Brust und runzelte die Stirn. Er wusste selbst nicht, was ihn dazu gebracht hatte, so abwertend von Elysse zu sprechen, noch dazu vor seinem Freund, der nicht zur Familie gehörte.
»Ich denke, du solltest Abstand wahren, William. Ihr Charme kann fatal sein.«
Auf Montgomerys Gesicht breitete sich langsam ein Lächeln aus. »Sprichst du aus eigener Erfahrung, Alexi?«
Alexi erstarrte. »Ich hatte noch nie ein gebrochenes Herz – und ich habe auch nicht vor, das zu erleben.«
»Du weißt, dass wir auf unseren Reisen nur selten Frauen treffen. Die letzte Nacht war sehr erfreulich – ich freue mich schon auf die Gesellschaft all der Damen hier.« Der Navigator nahm seine Tasse und trank einen Schluck.
Seine Absichten waren deutlich. Er wollte Elysse wiedersehen. Alexi sah ihn nachdenklich an. Es war ihm wirklich egal, wenn Montgomery und Elysse ein- oder zweimal miteinander schäkerten, solange Montgomery sich respektvoll verhielt. Wahrscheinlich gab überhaupt keinen Grund zu glauben, dass sein Navigator sich jemals anders benehmen würde – sie waren nicht in Lissabon, Malta oder Singapur – aber er fühlte sich weiterhin beunruhigt. Er spürte, dass Montgomery sich mehr für Elysse interessierte, als es ihm guttat – oder ihr. Soweit es Elysse betraf, traute er seinem Navigator einfach nicht, wie er es Elysse schon am vergangenen Abend gesagt hatte. »Wisst ihr, Dublin ist eine unterhaltsame Stadt. Wir sollten ein paar Tage dort verbringen, ehe wir nach London zurückkehren.«
Montgomery antwortete nicht.
»Bitte fahr nicht so schnell wieder weg«, sagte Amanda und erhob sich von ihrem Stuhl. Sie stellte sich hinter Alexi und legte ihre Hand auf seine Schulter. »Wir haben dich alle so sehr vermisst.«
Alexi wusste, dass er seine Familie nicht enttäuschen konnte. Er lächelte seiner Stiefmutter zu. »Ich verspreche, nicht zu schnell abzureisen.«
»Gut.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und entschuldigte sich dann.
»Darf ich eine Frage stellen?«, wollte Montgomery wissen. Alexi sah ihn an, während sein Vater sich wieder der London Times widmete.
»Warum ist Elysse nicht verheiratet?«
Alexi hätte sich um ein Haar verschluckt. Ehe er etwas sagen konnte, raschelte Cliff mit seiner Zeitung und antwortete: »Ihr Vater möchte, dass sie aus Liebe heiratet. Das hat Devlin oft genug gesagt.«
Montgomery setzte sich aufrecht hin. »Gewiss will er für sie einen Gentleman finden, mit einem Titel und reichlich Vermögen.«
»Ich bin sicher, dass er sich für Elysse alle Privilegien wünscht, aber vor allem möchte er, dass in ihrer Ehe wirkliche Zuneigung existiert«, sagte Cliff. Er legte die Zeitung weg. »Ich fürchte, ich muss heute einige Pächter besuchen, Alexi. Möchtest du mitkommen?«
Montgomery war offenbar überrascht von Cliffs Antwort, und ebenso offensichtlich dachte er nach. Alexi glaubte es kaum. Sein Navigator hatte doch nicht etwa vor zu heiraten? Er konnte nicht anders,
Weitere Kostenlose Bücher