In den Armen des Scheichs
denk doch an seine Mutter, Königin Anya …“
„Sie ist nicht seine Mutter!“, protestierte Inas mit völlig veränderter Stimme. Ihr Blick war plötzlich klar, aber voller Hass. „Sie hat den Scheich geheiratet und seine Söhne adoptiert! Ist es fair, dass sie fünf hat und ich keinen, obwohl sie nie selbst ein Kind zur Welt brachte? Anders als ich …“
„Inas …“
„Niemand würde davon erfahren! Verstehst du denn nicht?“
In ihren Augen glühte jetzt ein Feuer, das dem König Angst machte. Hatte sie über den schrecklichen Schmerz vielleicht den Verstand verloren?
„Unser Sohn ist tot“, erinnerte er seine Frau mit schwerer Stimme.
„So muss es aber nicht sein. Wir würden ihn gesund pflegen, dann ist er unser Sohn und kann eines Tages König von Qusay werden.“
„Verstehst du denn nicht? Wir müssen ihn seiner Familie und seinem Land zurückgeben. Man wird uns dafür achten und danken. Vielleicht ergeben sich daraus auch noch engere wirtschaftliche Beziehungen zwischen unseren …“
„Genug!“ Inas musterte ihren Mann mit offenkundigem Widerwillen. „Wie kannst du in so einem Moment an wirtschaftliche Vorteile denken? Willst du wirklich zulassen, dass ein Tyrann wie Yazan König von Qusay wird?“
Natürlich war Saqr unwohl bei dem Gedanken, dass sein sadistischer Bruder jetzt die Macht übernehmen sollte, aber was gab es für eine Alternative? Ob Inas vielleicht sogar recht hatte und das überraschende Auftauchen des verschollenen Knaben eine Art Fingerzeig des Schicksals für sein gebeuteltes Königreich bedeutete?
„Aber … er hat keine blauen Augen“, murmelte Saqr schon halb besiegt.
„Es gibt keine Bilder von Xavian, außer dem einen Portrait, auf dem er schläft“, erinnerte seine Frau ihn.
„Was denken Sie darüber?“, wandte sich der unsichere Monarch an den Palastarzt, der dem Disput zwischen dem Königspaar die ganze Zeit über stumm gelauscht hatte.
„Vom ethischen Standpunkt aus kann ich einen derartig verworfenen Plan unmöglich billigen. Wir sollten so schnell wie möglich Kontakt zum Hof von Calista aufnehmen.“ Dr. Habib, der Zafir inzwischen von den nassen Kleidern befreit und flüchtig untersucht hatte, wickelte den immer noch bewusstlosen Jungen in eine Decke, ging hinüber ins angrenzende Zimmer und legte ihn dort behutsam auf einem breiten Diwan ab.
Inas gab ihre gewohnte Haltung als demütige Gattin endgültig auf. Ihr Sohn war tot, und damit waren auch alle Regeln, die für ihr bisheriges Leben gegolten haben mochten, für sie außer Kraft gesetzt. So hielt sie ihren Mann, der dem Arzt folgen wollte, unsanft am Arm zurück und schaute ihn beschwörend an.
„Willst du wirklich vor dein Volk treten und ihm mitteilen, dass dein Bruder Yazan ihr zukünftiger Herrscher sein wird?“
„Nein, natürlich nicht. Und wenn es einen anderen Weg gäbe …“
„Es gibt ihn! Halte Dr. Habib davon ab, unser Glück und unsere Zukunft zu zerstören. Wenn du es schon nicht für mich tun willst, dann wenigstens für die Menschen von Qusay, die du genauso liebst wie sie dich.“
Nach einem langen, harten Blick nahm sie ihre Hand von seinem Arm und wandte sich ab.
„Ich verstehe, dass Sie sich in einem Gewissenskonflikt befinden …“, hörte sie ihren Mann gleich darauf im Nebenzimmer sagen, „… aber Sie sind der Leibarzt des Königshauses und haben damit unserem Volk gegenüber eine ebensogroße Verantwortung wie die Königin und ich. Ab sofort besteht Ihre einzige Aufgabe darin, dieses Kind … den zukünftigen Thronerben von Qusay, wieder gesund zu machen, was Ihre gesamte Kraft und Zeit in Anspruch nehmen wird. Natürlich werden Sie dafür entsprechend entlohnt …“
Jeder hat seine Skrupel, auch Dr. Habib. Doch als König Saqr dem Vater dreier Kinder, die alle in privaten Internaten in Europa untergebracht waren, eine Summe nannte, von der dem armen Mann ganz schwindelig wurde, ließ er sich überzeugen.
„Gut. Und jetzt sagen Sie mir, wie wir weiter vorgehen sollen.“
Dr. Habib überlegte nur kurz. „Die Bevölkerung von Qusay weiß, dass der Prinz krank ist. Wenn wir ihn also noch eine Weile verborgen halten, wird es kein Misstrauen erregen. Ich werde den Ältestenrat davon in Kenntnis setzen, dass sich sein Zustand in der letzten Nacht leider noch verschlechtert hat und er deshalb momentan eine Intensivpflege braucht, die meine ganze Aufmerksamkeit und Hingabe erfordert und mit deren Hilfe er hoffentlich recht schnell wieder ganz
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