In den Armen des Sizilianers
ihm seinen Vater so lange vorenthalten hatte.
Langsam ließ sie jetzt die Finger über das blaue Seidenkleid gleiten. Sie tat sich selbst keinen Gefallen, wenn sie sich weigerte, es zu tragen. „Okay, ich ziehe mich um“, gab sie schließlich nach.
„Die alten Jeans kannst du gleich wegwerfen“, schlug er spöttisch vor. „Ich will dich darin nie wieder sehen.“
Seine Worte schmerzten sie. Wann hörte er endlich damit auf, sie seine Verachtung so deutlich spüren zu lassen? Sie warf ihm einen kühlen Blick zu, ehe sie ins Badezimmer ging und in die neuen Dessous schlüpfte. Das seidige Material fühlte sich auf ihrer Haut ganz ungewohnt und irgendwie sinnlich an.
Als sie sich im Spiegel betrachtete, glaubte sie, eine Fremde zu sehen. Wie lange hatte sie sich keine neue, verführerische Unterwäsche leisten können, in der sie sich reizvoll und ein bisschen verrucht vorkam?
Die Jeans, die Vincenzos Missfallen erregt hatten, lagen neben ihr auf dem Boden. In einem Anflug von Aufsässigkeit wollte Emma sie aufheben und zusammen mit dem alten Pullover wieder anziehen. In den alten und viel zu weiten Sachen fühlte sie sich sicher vor Vincenzos forschendem Blick. Sie wirkte darin unauffällig und unscheinbar, und niemand konnte ihr vorwerfen, dass sie Vincenzo verführen wolle. Allerdings wäre es ein Fehler, Öl ins Feuer zu gießen und ihn noch zorniger zu machen.
Sie streifte das blaue Seidenkleid über, das das Blau ihrer Augen betonte, und bürstete ihre Haare, die ihr wie ein seidener Vorhang über die Schultern fielen. So sollte die Frau eines reichen Mannes gekleidet sein, überlegte sie. Solche Sachen hatte sie getragen, als sie noch mit Vincenzo zusammengelebt hatte. Dennoch hatte sie besonders in den letzten Monaten ihrer Ehe eine große Leere empfunden, denn sie hatte begriffen, dass sie nichts anderes war als das schöne Anhängsel ihres reichen Mannes. Er zeigte sich gern mit ihr in der Öffentlichkeit, doch zu Hause beachtete er sie kaum noch, und die Atmosphäre zwischen ihnen war zum Zerreißen gespannt gewesen.
Der Illusion, Vincenzo würde sie lieben, gab sie sich nicht mehr hin. Das machte es ihr leichter, sich eine Strategie auszudenken, wie sie mit ihm umgehen wollte, um die Kontrolle über sich und ihre Gefühle zu behalten. Sie begab sich in eine nicht ungefährliche Situation und musste mit allen möglichen Komplikationen rechnen, wenn sie sich wieder von seiner charismatischen Ausstrahlung und seinem Charme verzaubern ließ. Diesen Fehler durfte sie nicht noch einmal machen.
Sie würde die Rolle spielen, die er ihr zugedacht hatte, und hoffte, dass sie sich im Lauf der Zeit auf eine vernünftige Lösung einigen konnten. Dass sie sich in seiner Heimat und in der ihm vertrauten Umgebung aufhalten würden, wo sie eigentlich gar nicht hingehörte und sich als Außenseiterin fühlte, machte die Sache für sie noch schwieriger. Sie brauchte ihn und war auf seine Unterstützung angewiesen, wie sie sich mutlos eingestand. Dennoch durfte sie keine Schwäche zeigen. Wenigstens würde ihr die elegante Kleidung helfen, einigermaßen sicher und gewandt aufzutreten und so zu tun, als wäre sie es gewöhnt, sich unter seinesgleichen zu bewegen.
Als sie aus dem Bad kam, stand Vincenzo im Schlafzimmer an Ginos Bett. Trotz aller Bedenken und aller guten Vorsätze verspürte sie eine verzweifelte Sehnsucht nach ihm. Ihr Herz und ihre Gefühle schienen ihr einen Streich zu spielen und ihr vorzugaukeln, sie liebe den Mann, den sie geheiratet hatte, immer noch.
Mit wie vielen Frauen hatte er wohl geschlafen, nachdem sie sich getrennt hatten? Der Gedanke schmerzte sie, und sie ballte die Hände zu Fäusten. Doch selbst wenn er andere Frauen genauso geschickt verführt und leidenschaftlich geliebt hatte wie sie, ging es sie nichts mehr an.
Plötzlich sah er sie an. In seinen Augen blitzte es spöttisch auf, aber Emma meinte noch ganz andere Emotionen hinter seiner zur Schau getragenen Coolness zu spüren. Sie kannte ihn und wusste, dass er ein leidenschaftlicher und besitzergreifender Mann war.
Und deshalb musste sie mit größter Vorsicht handeln. Sie musste ihn davon überzeugen, dass sie eine gute Mutter war und nie wieder versuchen würde, ihm Gino wegzunehmen oder vorzuenthalten. Wenn es sein musste und half, das Verhältnis zwischen ihnen zu verbessern, wäre sie sogar bereit, sogar noch weiter zu gehen. Sie wollte sich keinen törichten Hoffnungen hingeben, nur um am Ende enttäuscht zu sein,
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