In den Armen des Sizilianers
widersetzte man sich nicht. Dennoch musste sie es versuchen. „Können Gino und ich nicht so lange hierbleiben, bis ich alles geregelt habe?“
„Damit du dich mit dem Jungen irgendwo verstecken kannst?“ Er verzog spöttisch die Lippen, während er die Fingerspitze federleicht über ihre Lippen gleiten ließ. „Nein, keine Chance. Besitzt du einen gültigen Personalausweis oder Reisepass?“
Wie betäubt nickte sie.
„Und Gino?“
„Nein, noch nicht.“
„Dann werde ich mich darum kümmern und dafür sorgen, dass er so etwas bekommt. Ach ja, da fällt mir ein, ihr beide braucht dringend neue Sachen. Wenn ich euch mitnehme nach Sizilien, soll mein Sohn wie ein Cardini aussehen und nicht wie eine arme Kirchenmaus. Und du …“ Er verstummte. Der Blick, den er ihr zuwarf, erschreckte und erregte sie zugleich. „Du wirst dich so kleiden, wie es sich für meine Frau gehört.“
9. KAPITEL
Emma stand mitten in dem Salon der Hotelsuite und betrachtete staunend und ungläubig die vielen Outfits in ihren Lieblingsfarben. Alles, was sie sich nur wünschen konnte, sah sie vor sich: elegante Designerkleider, Röcke, Blusen, Hosen, alles aus edlem und teurem Material wie Seide, Leinen, weichem Kaschmir und reiner Wolle, außerdem hochhackige Schuhe und sogar verführerische Dessous in verschiedenen Farben und in ihrer Größe, wie es schien. Es fehlte nichts.
„Woher kommt das alles? Wer hat das bestellt?“, fragte sie leise.
Vincenzos Blick wurde hart. „Ich habe die Sachen ausgesucht – genau genommen habe ich eine Liste erstellt und jemanden beauftragt, alles zu besorgen. Ich habe dir ja gesagt, dass du als meine Frau angemessen gekleidet sein musst. In deinen bescheidenen Klamotten kannst du nicht vor meiner Familie erscheinen.“
„Aber ich habe abgenommen“, wandte sie ein. „Mehrere Kilo sogar. Woher wusstest du, welche Kleidergröße ich jetzt trage?“
Sekundenlang blickte er sie leicht irritiert an, als wäre es eine völlig überflüssige Frage. Dann verzog er die Lippen langsam zu einem belustigten Lächeln. „Es war nicht schwer, sie zu erraten. Vergiss nicht, du hast vor Kurzem noch nackt in meinen Armen gelegen.“ Betont beiläufig nahm er das blaue Seidenkleid vom Bügel und reichte es ihr. „Hier, zieh das über, es müsste dir passen. Wir sollten uns zum Abendessen umziehen.“
Emma befühlte das weiche Material und kämpfte gegen die Versuchung an, zu tun, was er von ihr erwartete. Ihre Begeisterung über die wunderschönen Sachen kannte keine Grenzen. Und das war auch kein Wunder, nachdem sie so lange nur in Secondhandläden hatte einkaufen können. Doch sein arrogantes Verhalten störte sie. Er verlangte von ihr, alles anzunehmen, was er ihr kaufte, während er ihr zugleich immer wieder zu verstehen gab, dass alles im Leben seinen Preis hatte.
Hatte sie wirklich eine andere Wahl? Wahrscheinlich musste sie wohl oder übel mitspielen, denn sein Argument leuchtete ihr ein. Wenn sie auf Sizilien in ihren billigen Klamotten erschien, würde man nur verächtlich die Nase rümpfen, denn in seinen Kreisen legte man größten Wert auf Äußerlichkeiten.
Hinzu kam natürlich, dass er Gino so ausstaffiert hatte, wie es sich für den Sohn eines Multimillionärs gehörte. Auf der Rückfahrt hatten sie in London vor einem der größten Warenhäuser Londons angehalten. Dort hatte Vincenzo eine komplette Babyausstattung, den teuersten Buggy, den es gab, die feinsten Kaschmirdecken und jede Menge Spielzeug gekauft.
Sie blickte hinüber in das Schlafzimmer mit dem wunderschönen Kinderbett, in dem ihr Sohn tief und fest schlief. Er wurde verwöhnt wie ein kleiner Prinz. Ihr verkrampfte sich das Herz.
Das Hotelpersonal war beauftragt worden, dem Kleinen das Essen zuzubereiten. Später hatte er vor Vergnügen gequietscht, als Vincenzo ein Spielzeug nach dem anderen hervorgeholt und vor ihn gestellt hatte. Obwohl Emma vor Kurzem noch behauptet hatte, Kinder seien mit einfachen Spielsachen genauso glücklich, musste sie sich jetzt eingestehen, dass es nicht stimmte.
Eigentlich war es etwas Wunderbares, Gino zu beobachten, wie viel Freude er an dem Komfort hatte, den sich jede Mutter für ihr Kind wünschte. Und in dem neuen hübschen Schlafanzug, in dem er nun in seinem Kinderbettchen lag, wirkte er noch bezaubernder als in den alten Sachen.
Trotzdem konnte sie die finsteren Gedanken nicht verdrängen. Sie quälte sich mit ihren Schuldgefühlen herum und machte sich heftige Vorwürfe, weil sie
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