In den eisigen Tod
jetzt dem Beardmore-Gletscher, doch die Verhältnisse waren immer noch ungünstig, und die Ponys mussten angetrieben werden. Nun war Bowers’ Pony Victor an der Reihe, denn die Futtervorräte gingen zur Neige. Scott teilte dies Bowers mit, und hier wird eine der wenigen Spuren von Bitterkeit in Bowers’ ganzem Tagebuch sichtbar: »Der gute, alte Victor! Er bekam immer einen Zwieback aus meiner Ration, und er fraß seinen letzten, ehe die Kugel ihn ins Jenseits beförderte ... Es tut mir leid um ein Tier, das so lange Zeit mein ständiger Begleiter und meine ständige Sorge war.« Doch sie alle aßen jetzt mit zunehmendem Genuss Ponyfleisch. Wilson bemerkte, dass es wie gekochtes Rindfleisch schmeckte, und er erinnerte sich vergnügt an ein Abendessen, das aus einem » hoosh mit viel Victor darin« bestand.
Scott war fest davon ausgegangen, dass das Wetter sich ändern würde, aber er wurde enttäuscht. Am 3. Dezember machten ein heftiger Sturm und dichtes Schneetreiben ein Vorankommen nahezu unmöglich. Scott hatte das Gefühl, sein Pech sei »aberwitzig«. Der folgende Tag brachte Schneestürme, und Scott grübelte über sein Missgeschick nach, denn er wusste, dass Shackleton um genau die gleiche Zeit des Jahres ganz andere Bedingungen vorgefunden hatte. Sie kamen mit qualvoller Langsamkeit voran und erreichten eine Stelle, 22 Kilometer vom Gletscherzungenrand entfernt, wo ein weiteres Pony getötet wurde. Scott hoffte, dass ein einziger Marsch ausreichen würde, um dann auf dem Beardmore-Gletscher kampieren zu können, aber der 5. Dezember brachte ein Höllenwetter. Ein erneuter Schneesturm tobte mit solcher Heftigkeit, dass »man nicht das nächste Zelt, geschweige denn das Land, sehen« konnte.
»Was zum Teufel bedeutet so ein Wetter zu dieser Zeit des Jahres?«, haderte Scott. »Das ist eine größere Portion Unglück, als uns zusteht ...« Der Blizzard wehte eine solche Schneemenge heran, wie Scott sie noch nie gesehen hatte. Oates und Bowers rackerten schwer, um zu verhindern, dass die Ponys einschneiten, während die Hunde es sich in ihren Schneelöchern gemütlich machten. Die wärmeren Temperaturen, die der Schneesturm mit sich brachte, bedeuteten nasse Zelte und durchweichte Schlafsäcke. Ihre Körper lagen in Wasserlachen – »einen Schnepfensumpf« nannte Bowers die Szenerie. Keohane erkannte die lustige Seite der Sache, und Scott notierte seinen Reim: »Der ganze Schnee schmilzt, und alles schwimmt. Wenn dies noch viel länger so weitergeht, werden wir das Zelt umdrehen und als Boot benutzen müssen.« Doch aus Scotts Tagebucheintrag vom 6. Dezember spricht tiefe Verzweiflung: »Erbärmlich, ausgesprochen erbärmlich. Wir haben im ›Sumpf der Verzagtheit‹ kampiert ... Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit überkommt einen, das schwer abzuwehren ist.« Ihm blieb keine andere Wahl, als die Gipfelrationen anzubrechen. Männer und Tiere mussten ernährt werden, auch wenn sie nicht vorankamen.
Scott fragte sich, ob auch Amundsen unter dem schlechten Wetter zu leiden hatte. Herrschte es über weite Gebiete, oder war er ausgerechnet das Opfer »außergewöhnlicher lokaler Wetterverhältnisse«? Im letzteren Fall war es schwer, sich auszumalen, dass andere, während die eigene Gruppe gegen Widrigkeiten ankämpfte, »im Sonnenschein lächelnd vorangingen«. Tatsächlich hatte Amundsen Anfang Dezember ebenfalls unter Schneestürmen zu leiden gehabt, aber er kam immer noch voran. An seinem schlechtesten Tag legte er viereinhalb Kilometer zurück und an anderen mehr als 46 Kilometer – was der Zugkraft der Hunde und der Skifahrerkünste seines Teams zu verdanken war. Seine Route zum Polarplateau hatte ihn den Heiberg-Gletscher und zum Devil’s Glacier hinaufgeführt, der von manchen als noch größere Herausforderung als der Beardmore angesehen wird. Doch er war imstande gewesen, 148 Kilometer weiter nach Süden vorzudringen als Scott, bevor er Berge überwinden musste. Während Scott und seine Männer am dritten Tag des Schneesturms in ihren durchnässten Zelten bibberten und Scott über »das schreckliche Gefühl« klagte, »dass dies eine wirklich entsetzliche Jahreszeit« sei, hatte Amundsen Shackletons Rekord eingestellt und war nur noch 185 Kilometer vom Pol entfernt. Eine entsprechende Information hätte den getreuen kleinen Bowers zur Raserei gebracht, der sich immer wieder fragte, wie es dem »dubiosen, hinterhältigen Rabauken« wohl ergehe.
Erst am 9. Dezember konnte die bedrückte Gruppe
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