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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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ist.«
    Die Granitfelsen des Beardmore-Gletschers, die sich über die ebene Fläche des Ross-Schelfeises erhoben, sahen ehrfurchtgebietend aus. Doch die Hälfte der Gruppe war nicht imstande, den Anblick zu genießen, da sie unter Schneeblindheit litt. Ein reizbarer Scott machte den Männern wegen ihrer Nachlässigkeit Vorwürfe und seine »lästigen Landsleute« auch dafür verantwortlich, dass sie keine tüchtigeren Skifahrer geworden waren. Skier hätten auf dem weichen, schneebedeckten Boden mit seinen versteckten Gefahren eine große Hilfe bedeutet. Bowers gab ihm recht und schrieb: »Die Skier bieten einen wunderbaren Schutz gegen Spalten, da sich das Gewicht über eine so große Fläche verteilt.« Scotts Unbeherrschtheit ließ sich teilweise auf einen sauren Magen zurückführen, der ihm, wie er später Cherry-Garrard erzählte, so zusetzte, dass er befürchtete, nicht weitergehen zu können. Außerdem machte er sich Sorgen. Die Schlitten wogen jeweils etwa 320 Kilogramm. Konnten sie sie wirklich die 204 Kilometer des Beardmore hinaufziehen? Hinzu kam, dass sie sich auf sehr weichem Untergrund bewegten, während Shackleton insofern im Vorteil gewesen war, als er es mit fest gefrorenem Boden zu tun gehabt hatte – ein weiterer Umstand, den Scott bedrückt vermerkte. Er trug das Tagebuch von Frank Wild bei sich, in dem über dessen Reise mit Shackleton nach Süden berichtet wird. Raymond Priestley, der als Geologe an beiden Expeditionen teilnahm, schrieb später, dass Shackletons Team während der ganzen Hinreise bei dem Wettlauf die Rolle eines gespenstischen Schrittmachers gespielt habe, während Cherry-Garrard dies genauer beschrieb: »Wir arbeiteten gegen Shackletons Mittelwerte und Daten an.« Scott war entschlossen, seinen Rivalen in den Schatten zu stellen. Er war auch darauf erpicht zu beweisen, dass Shackleton die Schwierigkeiten übertrieben hatte, und sprach in seinem Tagebuch von »Shackletons überzogenem Bericht«. Das Wort »überzogen« wurde später in der veröffentlichten Version gestrichen.
    Bowers verfasste einen denkwürdigen Bericht über den nachfolgenden langen und abenteuerlichen Kampf: »Ich habe mich noch nie so schwer getan beim Ziehen; denn ich stemmte mich mit aller Kraft gegen die Zuggurte und verspürte dadurch ein unaufhörliches Ruckeln auf meinem armseligen Bauch, und so wurden meine Eingeweide beinahe in mein Rückgrat gequetscht.« Er schrieb auch, dass am 15. Dezember »der Owner wegen des Wetters einen ziemlichen Koller bekam und sagte, wir hätten, seit wir losgezogen seien, kein Glück gehabt. Nachdem wir unser Zelt aufgeschlagen hatten, entdeckten wir einen halben Meter vom Eingang entfernt eine Spalte. Ich warf eine leere Ölkanne hinein, und das Echo hallte entsetzlich lange wider.« Doch der Wettlauf war bereits verloren – nur dass sie es nicht wussten. Amundsen hatte den Pol am 14. Dezember erreicht: »Fünf Wetter gegerbte, erfrorene Fäuste« hatten »die flatternde Fahne in die Luft gehoben und sie als die erste am geographischen Südpol gehisst.« 20
    Am 17. Dezember, während Amundsen sich auf die eilige Rückkehr nach Framheim vorbereitete, hatten Scotts Leute, allesamt ahnungslos, einen Punkt 1066 Meter unterhalb des Cloudmaker Mountain erreicht, wobei sie auf Spalten achten mussten, in die die St. Paul’s Cathedral hineingepasst hätte. Für Bowers war das Sausen bergab mit dem Schlitten »der größte Spaß unseres Lebens«. Auch Wilson amüsierte sich. Nach der winterlichen Reise nach Cape Crozier konnte der Beardmore-Gletscher für ihn keine Schrecken mehr bereithalten. Wann immer er konnte, machte er Skizzen, und es gelangen ihm einige wunderbare Panoramazeichnungen. Doch sie fingen nun alle an, unter Hungerfantasien zu leiden, und träumten von üppigen Festmählern. Cherry-Garrard träumte von großen Brötchen mit heißer Schokolade in einem Bahnhofsbüffet, wachte aber immer gerade dann auf, wenn er im Begriff war hineinzubeißen. Mit zunehmender Höhe trockneten sie auch immer mehr aus, und Scott schrieb: »Wir werden furchtbar durstig und brechen auf unserem Marsch Eisstücke ab, und an den Rastplätzen … trinken wir sehr viel Wasser ...«
    Das Mid-Glacier-Depot wurde unter nahezu perfekten Wetterbedingungen errichtet, und Scott hatte das Gefühl, dass seine Stimmung sich endlich besserte. Allerdings begriff er jetzt, dass die Hunde den Aufstieg geschafft hätten, und dies muss ihm Grund zu ernsthaftem Nachdenken gegeben haben. Wie

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