In den eisigen Tod
Amundsen später schrieb: »Man kann die Hunde nicht nur über die gewaltigen Gletscher bringen, die zum Plateau führen, sondern sie über die ganze Strecke voll einsetzen. Ponys müssen dagegen am Fuße des Gletschers zurückgelassen werden, während die Menschen selbst das zweifelhafte Vergnügen haben, die Rolle der Ponys zu übernehmen.« 21
Während Scotts Gruppe höher auf den Gletscher kletterte, erstreckten sich vor ihren Augen immer weitere Eisfelder: »eine harte, gewellte blaue Fläche, ähnlich einem unberührten zugefrorenen Meer, während der Wind auf ihr spielte« – schön und in seinen Ausmaßen ehrfurchtgebietend. Oates begann den schlechten Zustand seiner Füße zu bemerken: »Seit wir Hut Point verlassen haben, waren sie ständig nass, und jetzt hat das Gehen auf diesem harten Eis mit vereisten Steigeisen ziemlich Mus aus ihnen gemacht.« Er hinkte auch infolge seiner Kriegsverwundung. Atkinson, der ihn am besten kannte, sagte zu Cherry-Garrard, dass Oates nicht mehr weitergehen wolle. Doch zu diesem kritischen Zeitpunkt, als Scott, die erste Rückkehrergruppe zusammenstellte, schwieg Oates sich ihm gegenüber aus.
Scott hatte seine Kameraden genau beobachtet – seiner Meinung nach sah Wright, der junge kanadische Physiker, aus, als sei er am Ende seiner Kräfte angelangt, und bestätigte Scotts – nicht Markhams – Meinung, dass die älteren, erfahreneren Männer besser zurechtkommen konnten als die Jungen. Scotts Auffassung war durch die Winterreise nach Cape Crozier bestätigt worden: Cherry-Garrard, der jüngste der drei Teilnehmer an dieser Expedition, war in einem wesentlich schlechteren Zustand als Wilson und Bowers gewesen und hatte auch länger gebraucht, um sich wieder zu erholen. Diese Erkenntnis war eine persönliche Beruhigung für Scott, der gern über die Tatsache nachdachte, dass Peary 52 war, als er für sich den Anspruch erhob, den Nordpol erreicht zu haben. Scott wählte jetzt für die Rückkehr den jungen Wright und den ebenfalls jungen Cherry-Garrard, zusammen mit Atkinson und Keohane, aus, aber es war eine schmerzliche Entscheidung – »herzzerreißend« war das Wort, das er dafür in seinem Tagebuch verwendete. Cherry-Garrard war tief betroffen und sagte zu Scott, er habe gehofft, ihn nicht enttäuscht zu haben. »Er fing mich ab und sagte: ›Nein, nein, nein.‹« Wilson tröstete ihn und sagte, Scott habe »geknobelt«, ob Cherry-Garrard weitergehen solle oder Oates. Wright war ebenfalls bitter enttäuscht. Er hatte Teddy Evans schon seit einiger Zeit für das langsame Vorankommen ihres Schlittenteams verantwortlich gemacht und an einem Tag geschrieben, dass Teddy einer sei, »der gleich die Flinte ins Korn wirft«, und an einem anderen: »Teddy, der verdammte Heuchler, hält, sobald er den Schlitten des Owner [Scott} sichtet, an, und sie schauen uns zu, wie wir heraufkommen, dann streckt er alle viere von sich und schaufelt alles in sich hinein, was er nur grapschen kann.« Am Ende konnte Teddy Evans Wright überhaupt nichts mehr recht machen, der selbst Evans’ Verhalten im Zelt kritisierte. In seinem Tagebuch machte Wright jetzt seinen Gefühlen Luft: »Scott ein Dummkopf. Teddy macht weiter. Ich muss mich am Riemen reißen. Zu wütend, um heute Abend noch weiter zu schreiben. Teddy hat sieben Achtel des heutigen Tages vertrödelt.«
Sie verabschiedeten sich nach einem letzten großen gemeinsamen Marsch, während Scott wie ein Besessener weiterdrängte. Er war,wie Lashly es ausdrückte, »ziemlich erregt« 22 , und Teddy Evans und Atkinson fielen, noch ehe ein Lager eingerichtet und auf einer Höhe von 2130 Metern das Upper-Glacier-Depot angelegt wurde, über die ganze Länge ihrer Zuggurte in eine Spalte. Bevor sie sich trennten, instruierte Scott Atkinson mündlich, er solle dann, wenn Meares mit dem Schiff zurückgekehrt sei, die Hundegespanne nach Süden bringen, um mit der Pol-Gruppe zusammenzutreffen. Scott gab der Rückkehrergruppe auch einen Brief für Kathleen mit. Er berichtete ihr, dass sie den Gipfel des Gletschers fast erreicht und genügend Vorräte hätten. »Wir müssten durchkommen«, schrieb er. 23
Kapitel 14
Die Luftschlösser, die man baut ...
Die Aussichten erschienen jetzt in jeder Hinsicht besser. Das Sonnenlicht tanzte über glitzernden Eisfeldern, und der Beardmore-Gletscher war bezwungen. Ein besser gelaunter Scott legte einen neuen Band seines Tagebuchs an und schrieb auf das Vorsatzblatt seinen Namen und sein Alter – 43, dann
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