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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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die Namen und das Alter von Wilson, 39, Unteroffizier Evans, 37, Oates, 32 und Bowers, 28 –, das waren die Männer, die am Ende tatsächlich zum Pol gehen sollten. Sie hatten, wie er sorgfältig notierte, ein Durchschnittsalter von 36 Jahren. Der Eintrag legt den Gedanken nahe, dass Scott bereits zu diesem Zeitpunkt entschieden hatte, wer zum Pol gehen sollte. Vielleicht hatte er sogar schon die umstrittene Entscheidung getroffen, dass die endgültige Gruppe aus fünf, und nicht, wie ursprünglich geplant, aus vier Männern bestehen würde. Wie dem auch sei – er scheint über seine Gedankenspiele mit niemandem gesprochen zu haben, nicht einmal mit Wilson, der ihm am nächsten stand und dem er am meisten vertraute. Wilson hatte einen Brief für Ory zurückgeschickt, in dem es nur hieß: »Ich bin so gesund und stark wie ein Pferd und hoffe sehr, dass ich zur endgültigen Gruppe gehören werde.« 1
    Vorläufig aber wanderten noch acht Männer über das Plateau, das eine Höhe von über 3040 Metern erreichte. Sie waren in zwei Teams aufgeteilt, von denen jedes einen Schlitten mit Lebensmittel- und Brennstoffvorräten für zwölf Wochen zog. Scotts Gruppe bestand wie zuvor aus ihm, Wilson, Oates und Unteroffizier Evans. Bowers war mit Teddy Evans, Lashly und Crean unterwegs. Sie mussten sich darauf konzentrieren, den tückischen Spalten auszuweichen, die so breit waren wie die Regent Street. Wilson beschrieb Näheres: »Zweimal hatten wir ›Glashauseis‹ mit einem trügerischen Untergrund – sehr unangenehm zu betreten. Wir haben auch viele breite Spalten überquert, die zwar gut überbrückt, aber tief waren und sehr tückische Ränder hatten.« Dennoch kamen sie gut voran, und Scott freute sich, dass er die »richtige Auswahl« getroffen hatte. Am 23. Dezember wurde der Boden härter, und der Horizont ebnete sich. Ein zuversichtlicherer Scott schrieb: »Für mich scheint unser Ziel zum ersten Mal wirklich nahe zu sein.«
    An Heiligabend legten sie fast 26 Kilometer zurück. Am ersten Feiertag, Lashlys 44. Geburtstag, trieb Scott seine Männer wie ein Besessener an und holte zwei zusätzliche Kilometer aus ihnen heraus. Sie schafften fast 28 Kilometer, und selbst Bowers spürte das Tempo. Lashly stürzte in eine Spalte, aber er war, wie Scott bemerkte, zäh wie Leder und blieb ziemlich gelassen, als er feststellte, dass er über einem 15 Meter tiefen Abgrund baumelte. Lashly schrieb: »Es war natürlich kein besonders schönes Gefühl, vor allem am Weihnachtstag, der zugleich auch mein Geburtstag war. Während ich mich so im offenen Raum um die eigene Achse drehte, brauchte ich ein paar Sekunden, um meine Gedanken zu sammeln ... Es war gewiss kein Märchenpalast.« 2 Teddy Evans, Bowers und Crean zogen ihn heraus, und letzterer wünschte ihm, dass er noch viele ähnlich schöne Geburtstage erleben möge. Was Lashly darauf antwortete, soll nicht salonfähig gewesen sein. Sie feierten Weihnachten mit etwas, was Wilson »ein grandioses Mittagessen« nannte, bestehend aus Zwieback, Rosinen, Butter und Schokolade. Das Abendessen bot »einen richtiggehenden Festschmaus« mit einem spektakulären hoosh , zubereitet aus Pemmikan, Pferdefleisch, Zwiebel- und Currypulver und Zwiebackkrümeln, dazu ein Metallbecherchen mit Kakao, ein großes Stück Plumpudding, fünf Karamellen und fünf Ingwerstückchen. Sie hatten das Stadium erreicht, in dem das Essen zur Obsession wurde – zu etwas, wovon sie träumten und überschwenglich schwärmten. Teddy Evans beschrieb ihr rührendes Verlangen, wenn sie zusahen, wie Birdie ihr Essen kochte: »Hatte er zu viel Pfeffer hineingetan? Würde er ihn verschütten? Wie viele Stücke vom Pferdefleisch würde jeder von uns bekommen? Doch der sorgfältige kleine Bowers verbrannte oder verschüttete den hoosh niemals – er erfüllte unsere kühnsten Erwartungen.« Bowers selbst hatte ein paar Tage zuvor bemerkt: »Trotz dieses ganzen [Essens] werden wir sichtlich dünner.«
    Danach lagen sie zufrieden in ihren Schlafsäcken. Scott war fast zu satt, um sich zu bewegen, und verzeichnete mit offenkundigem Bedauern, dass er und Wilson ihren Plumpudding nicht hatten aufessen können. In dieser Nacht sagte der sentimentale Bowers zu Teddy Evans: »Wenn nächstes Weihnachten alles gut geht, Teddy, werden wir all die armen Kinder, deren wir gerade habhaft werden können, mit schönen Dingen vollstopfen. Nicht wahr?« 3 Ihr Lager (auf dem von ihnen so genannten »König-Edward-VII.-Plateau«, das,

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