In den eisigen Tod
Wikingerschiff hätte aufnehmen können. Nansen hatte sich mit der Polarströmung über die Arktis treiben lassen und auf diese Weise nachgewiesen, dass es sich bei der arktischen Region um einen Ozean und nicht um einen Erdteil handelte. Nansen, der groß, kräftig und blond war und auf die Vierzig zuging, war vom Ernst und dem trockenen Humor des jungen Korvettenkapitäns beeindruckt und versorgte ihn großzügig mit guten Ratschlägen. Vor allem wies er Scott darauf hin, dass es unerlässlich sei, sich die richtigen Vorräte und die richtige Ausrüstung zu beschaffen. Er legte ihm auch dringend nahe, Schlittenhunde mitzunehmen; Scott befolgte seinen Rat und besorgte sich seine Hunde aus Russland.
Von Norwegen aus reiste Scott nach Berlin, um Professor Erich von Drygalski zu konsultieren, der eine deutsche Antarktisexpedition zur Erforschung der Gegend westlich des Wilkeslandes leiten sollte. Die deutsche Regierung hatte sich bereit erklärt, sämtliche Kosten der Expedition zu tragen. Scott fand, dass Drygalski und sein Team, die sich nicht um Mittel sorgen mussten, ausgezeichnete Fortschritte machten. Scott hielt fest, dass man ihm »mit der größten Freundlichkeit und Rücksicht« begegnete und dass »die Ausrüstungsarbeiten in vollem Gange [waren]: Proviant und Vorräte waren bereits bestellt, die Kleider anprobiert, Spezialinstrumente wurden vorbereitet, die Mitglieder der Expedition waren ausgewählt und bereits tätig, und die Gauss [das Schiff der Expedition] stand kurz vor der endgültigen Fertigstellung. Ich musste erkennen, dass sich dies alles in deutlichem Gegensatz zum Stand der Dinge in England befand, und eilte ziemlich beunruhigt nach Hause. Wie ich erwartet hatte, musste ich feststellen, dass alle die Vorbereitungen, die in Deutschland mit so großem Eifer getroffen wurden, in England praktisch zum Stillstand gekommen waren; ja, viele waren noch nicht einmal in Betracht gezogen worden.« 3 Scott war entschlossen, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Dazu brauchte er eine freie Hand, und Markham half ihm, einige Unterausschüsse auszuschalten, so dass er die Arbeiten vorantreiben konnte.
Scott musste die Zeit finden, das Schiff der Expedition, die Discovery , zu besichtigen, mit dessen Bau im März 1900 begonnen worden war. Sie war seit Halleys Paramore aus dem Jahr 1694 das erste Schiff, das in Großbritannien eigens zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung gebaut wurde. Sie war auch eines der letzten dreimastigen Segelschiffe aus Holz, die in Großbritannien vom Stapel liefen. Der Name Discovery verwies auf eine Reihe illustrer Vorgänger – andere Forscher, wie Baffin, Hudson und Cook, waren auf Schiffen dieses Namens gesegelt, und einer Überlieferung zufolge war er ein Glücksbringer. Für Scott war sie jedenfalls eines der schönsten schwimmenden Fahrzeuge. Die Schiffbauer hatten sich von den traditionsreichen britischen Walfängern inspirieren lassen, denn dort waren Modelle entwickelt worden, die Eis aufbrechen und durch Eis hindurchfahren konnten.
Die Discovery war aus Holz gebaut – eine Kunst, die bereits im Aussterben begriffen war. Ihr Gerippe bestand aus solider englischer Eiche und ihre Auskleidung aus Waldkiefernholz. Sie hatte keine Seitenfenster oder Seitenlichter, und das Tageslicht drang durch zentrale Oberlichter und kleine runde Deckslichter in die Aufenthaltsräume. Ihre Wände waren 66 Zentimeter dick, und ihr bereits 3,30 Meter langer Bug aus massivem Holz wurde noch mit Stahlplatten verstärkt, die ihr helfen sollten, sich den Weg durch das Packeis zu bahnen und dem Druck standzuhalten. Ihr Heck war abgerundet und überhängend, um das Steuerruder zu schützen – eine Neuerung, die Nansen zum ersten Mal erfolgreich auf der Fram eingesetzt hatte. Da es zu den Unwägbarkeiten einer Forschungsreise gehörte, dass möglicherweise die Kohlevorräte nicht ausreichten, war die Discovery mit Segeln und mit einer Dampfmaschine ausgerüstet. Der gesamte Bau der Discovery kostete etwas über 50 000 Pfund, nach heutigem Wert also ungefähr drei Millionen Euro. Das Schiff verfügte über ein Observatorium zur Messung erdmagnetischer Phänomene. Damit es effizient arbeiten konnte, durften sich innerhalb eines Radius von neun Metern weder Eisen- noch Stahlteile befinden. Die Instrumente der Expedition wurden von der Admiralität ausgeliehen; dazu zählten die Ausrüstung für astronomische, erdmagnetische und meteorologische Beobachtungen und Seismographen sowie Geräte zur
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