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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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legte in Cowes, wo gerade die glanzvolle Königliche Segelregatta abgehalten wurde, eine Pause ein. Mit ihrem schwarzen Rumpf, ihren stummeligen kleinen Masten und ihrem Fass von Krähennest erinnerte sie, verglichen mit den eleganten Schiffen rundum, ein wenig an ein hässliches Entlein. König Edward VII. kam an Bord und hielt eine Rede, und Königin Alexandra inspizierte die Kojen. Hannah Scott, die vor mütterlichem Stolz fast platzte, heftete im Namen der Majestäten den Royal Victorian Orden (IV. Klasse) an Scotts Uniformrock. Einen Augenblick lang entstand Panik, weil der Pekinese der Königin über Bord ging; er wurde von einem Matrosen gerettet. Doch schon am nächsten Tag, als die Discovery an den berühmten Needles der Isle of Wight vorbeiglitt, war die Erinnerung an den großen Rummel mit seinem ganzen Gepränge und Getue verblasst.
    Sie zogen mit dem Segen ihrer Nation los, als willkommene Abwechslung von dem rätselhaften Krieg, der immer noch mit den Buren ausgefochten wurde. Wie die Morning Post schrieb: »Selbst in den letzten Zügen eines anstrengenden Kampfes können wir noch die Energie und die Männer aufbringen, um den Siegen, die wir auf dem friedlichen, aber heldenhaften Feld der Forschung bereits errungen haben, einen weiteren hinzuzufügen ... «

Kapitel 4
    Zwischen Packeis und Pinguinen
    Am Nachmittag des 2. Januar 1902 starrten die Männer der Discovery auf die ersten Eisberge, die stummen Herolde des nahen Packeises. Am nächsten Tag überfuhren sie den südlichen Polarkreis und erwarben das traditionelle Recht des Seemanns, beide Füße auf den Tisch zu legen und einen Trinkspruch auszubringen. Der mit Eisen armierte Bug der Discovery bahnte sich seinen Weg durch die Eisschollenfelder, wobei das Schiff leise bebte. Niemand wusste, wie lange die Discovery sich im Packeis aufhalten würde. Die Southern Cross hatte 43 Tage gebraucht, um sich ihren Weg ins offene Meer frei zu kämpfen. Doch trotz der Gefahr und der Ungewissheit bot sich ihnen ein bezaubernder Anblick. Bernacchi war gerührt vom »alabasternen Weiß der Eisschollen .. . , verstärkt durch die herrliche Grünfärbung der Spalten und Löcher«.
    Scott sah besorgt zu, wie das Schiff sich mit Gewalt seinen Weg durch die knirschenden Schollen bahnte, doch er vertraute dem Offizier, der oben im Krähennest oder auf der Brücke Ausschau hielt, um die offenen Stellen und Kanäle ausfindig zu machen. Es gab auch angenehmere Momente. Bernacchi hatte eines Morgens Dienst und schilderte, wie ein vergnügter Shackleton um vier Uhr früh kam, um ihn abzulösen, »voll mit Versen und Wärme spendendem Marine-Kakao ... Shackleton war ein Dichter und an diesem Morgen poetisch hellwach, und ... hielt mich von meiner auf mich wartenden Koje fern, indem er endlose Verse mit der Stimme und dem Gehabe eines Tragöden aus verflossenen Zeiten rezitierte – ›Einen Augenblick, mein Sohn‹, schmeichelte er, als ich mich allmählich auf die Landungsbrücke zubewegte, ›hast du dies gehört?‹.« Der nüchterne junge australische Physiker scherte sich nicht darum, ob er es gehört hatte oder nicht, warf »die Höflichkeit zu den Eisschollen«, verschwand gähnend und ließ Shackleton mit seiner Poesie und dem fahlen Licht der Antarktis zurück.
    Wilson war unterdessen im siebten Himmel und legte sein Skizzenbuch selten aus der Hand. Malen und Zeichnen an Bord warf Probleme auf, aber Wilson fand einige pfiffige Lösungen: »Für Arbeit auf Deck habe [ich] mir eine Schlechtwetter-Skizzenbox gemacht, die ich mir um den Hals hänge, und kann darin bequem Skizzen anfertigen, selbst wenn es regnet oder stürmt und die ganze Gischt über einen hereinbricht. Das Papier bleibt verhältnismäßig trocken.« Das Packeis war keine Ödnis. Als sie die offene See hinter sich ließen, verschwanden die kreisenden Albatrosse und die elegant niederstürzenden Ozeansturmvögel, aber andere Vögel traten an ihre Stelle. Kämpferische Skuas flatterten vorüber. Riesige Sturmvögel tapsten auf der Suche nach Aas umher. Schöner waren die reizenden kleinen Schneesturmvögel mit ihrem zarten weißen Gefieder, ihren schwarzen Schnäbeln und Füßen und ihren schwarz funkelnden Augen.
    Aber die eigenartigsten und zugleich sympathischsten Vögel waren die Pinguine. Scott beschrieb, wie das Kreischen dieser »lustigen kleinen Begleiter« ständig zu hören war: »Neugierde lockte sie zum Schiff, und plötzlich tauchten ihre kleinen Gestalten in einiger Entfernung auf einer

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