In den eisigen Tod
Verfügung zu stellen. Zu den Unteroffizieren gehörte ein hoch gewachsener Waliser mit unverwüstlichem Humor, Edgar Evans, der, zusammen mit Scott und Wilson, an der letzten, verhängnisvollen Reise teilnehmen sollte. Er hatte mit Scott bereits auf der Majestic gedient.
Evans war eine warmherzige, lebhafte Persönlichkeit und verfügte über einen unerschöpflichen Vorrat an Anekdoten. Er las gern Dumas oder »Dum Ass«, wie er ihn nannte, aber mit Sicherheit nicht Kipling oder Dickens. Er war nicht dieser schattenhafte, mit Fehlern behaftete Riese vom Unterdeck, als der er so oft dargestellt wird. Evans wurde 1876 in Rhosili im schönen Gower geboren. Er sprach selbst nicht Walisisch, obwohl er den weichen, singenden Dialekt von Gower kannte. Sein Vater war ein »Capehorner«, also ein Seemann, der von Swansea über den Atlantik und um das Kap Horn zur Westküste Südamerikas gesegelt war, um dort nach Kupfererz zu suchen. Seine Mutter war die Tochter des mit Schankerlaubnis arbeitenden Inhabers des Ship Inn im hübschen kleinen Weiler Middleton.
Als Evans sieben Jahre alt war, zog die Familie nach Swansea, und er wuchs zu »einem sehr abenteuerlustigen Jungen« heran, der sich, seiner Mutter zufolge, niemals über irgend etwas beklagte. 15 Ein 1893 aufgenommenes Foto mit seiner Schwester Annie zeigt einen kräftigen Jungen mit breitem Gesicht und entschlossenem Ausdruck. Er verließ die Schule mit 13 und arbeitete eine Zeitlang im Castle Hotel, in dem die Kapitäne der Kupfererz-Barken abstiegen. Vielleicht waren es ihre Geschichten und die Erzählungen seines Vaters, die sein Interesse an einem Leben auf See weckten. Seine Mutter versuchte, es ihm auszureden; denn sie hatte erlebt, wie ihr Mann schwer verletzt wurde, als eine Frachtladung auf ihn fiel, und sein Bein amputiert werden musste.
Aber Evans ließ sich nicht abschrecken. Mit der Ungeduld der Jugend konnte er nicht einmal abwarten, bis er das richtige Alter erreicht hatte, und versuchte schon mit 14 anzuheuern, aber er wurde wieder weggeschickt. Bei zweiten Mal wurde er beinahe abgewiesen, weil er einen faulen Zahn mehr hatte, als offiziell erlaubt war. Er begann seine Ausbildung auf der HMS Ganges , einem solide gebauten, alten Schiff in Falmouth, und ein Jahr später, im April 1892, wurde er zum Decksjungen Erster Klasse ernannt. Er machte gute Fortschritte, wobei ihm seine ungewöhnliche Kraft zugute kam, und er diente auch eine Zeitlang als Sportlehrer. 1899 trat er seinen zweijährigen Dienst auf der HMS Majestic an, wo Scott ihn entdeckte.
Der Mann, der im Juli 1901 als einer der beiden Unteroffiziere Zweiter Klasse bei Scott anheuerte, war also ein beeindruckender Mensch, den ein Jahrzehnt Dienst in der Marine abgehärtet hatte. Er war über 1,80 Meter groß, wog etwas über 80 Kilogramm und war »von robuster Konstitution«. Mit seinen 25 Jahren erfüllte er die wichtigste Bedingung für Polarreisen – Jugend.
Scott rekrutierte seine Mannschaften, indem er sich schriftlich an seine Kollegen im Kanalgeschwader wandte und Freiwillige suchte, und die Auswahl war groß. Unter den Heizern, die er anheuerte, befand sich der 33jährige William Lashly, ein kräftig gebauter Mann, der weder trank noch rauchte, ein zurückhaltender, ja kontaktscheuer Mensch, der aber stets bereit war, einem Kameraden zu helfen, und den Markham als »den besten Mann im Maschinenraum« bezeichnete. 16 Er wählte auch Frank Wild aus, der später Shackleton auf seinen Expeditionen begleiten sollte. Im großen und ganzen war er sehr zufrieden. Obwohl die Discovery nicht der Disziplinarordnung der Königlich Britischen Marine unterworfen sein würde, wollte er sein Schiff so nahe wie möglich in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Marine leiten, und jetzt hatte er die Männer, die ihm helfen würden, diese strengen Maßstäbe einzuhalten.
Er konnte auch zuversichtlich sein, dass ihre Zähne den bevorstehenden Strapazen standhalten würden. Markham notierte in seinem persönlichen Bericht folgendes: »Zähne der Schiffsmannschaft. Die Zähne wurden im Juli 1901 von Zahnärzten des Guy’s Hospital untersucht. 178 Zähne wurden plombiert und 92 gezogen. Rechnung: 62 Pfund 4 Schilling 5 Pence. 41 Untersuchungen für den Preis von 30 Schilling pro Mann.« 17
Am 21. März 1901 zerschnitt Lady Markham mit einer goldenen Schere ein Band, und die Discovery glitt anmutig in den Tay. Dann wurde das Schiff ins Dock zurückgebracht, wo Maschinen und Dampfkessel montiert
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