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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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heruntertropfte.
    Welches Schicksal erwartete diese armselige Fracht an Menschen und Tieren? Scott maß dem Glück große Bedeutung bei, aber die kommenden Wochen sollten nichts als Unglück mit sich bringen. Am 2. Dezember, ganze zwei Tage nachdem sie Neuseeland hinter sich gelassen hatte, fuhr die Terra Nova in einen schweren Sturm mit Windstärke zehn. Tobende Winde verschoben die Decksladung, und Säcke voller Kohlen rutschten und Kanister voller Benzin kullerten von einer Seite zur anderen. Die unglücklichen Hunde, die am Hals angekettet waren, wurden über das Deck, nach vorne und nach achtern, gespült. Einer wurde sogar mit solcher Wucht über Deck geschleudert, dass seine Kette riss, aber wie durch ein Wunder schwemmte ihn eine große Welle wieder zurück. Als das Schiff stampfte und rollte, waren die Ponys in Gefahr, sich die Beine zu brechen.
    Der Sturm war ein entscheidendes Ereignis, das Scott zeigte, von welchem Format seine Begleiter waren. Oates und Atkinson schufteten bei den Ponys »wie die Tiere«. Teddy Evans beschrieb Oates’ »kräftiges braunes Gesicht, beleuchtet von einer hin und her schwingenden Lampe, während er zwischen diesen kleinen leidenden Tieren stand. Er war ein gutaussehender, starker Mann, und während das Schiff schlingerte, schien er ab und zu die armen kleinen Ponys tatsächlich auf die Beine zu stellen.« 2 Scott selbst blieb ruhig und stoisch – ein schwerer Sturm auf See war ihm durchaus nichts Unbekanntes. Doch in Wirklichkeit stand es auf des Messers Schneide. Die Pumpen des Schiffs waren mit Kohlenstaub- und Maschinenölklumpen verstopft, und das Schiff war leck und langsam im Sinken begriffen. Scott und Teddy Evans ordneten an, dass die Achterwache das Wasser von Hand ausschöpfen sollte, und Wilson, einer der wenigen Glücklichen, die nicht unter der Seekrankheit litten, schilderte die verzweifelten Szenen:
    »Es war die Arbeit einer unheimlichen Nacht, bei heulendem Sturm, in der Dunkelheit und mit der unermesslichen See, die alle paar Minuten über das Schiff schwappte, und ohne Maschine und ohne Segel, und wir alle im Maschinenraum, vor lauter Maschinenöl und Bilgewasser schwarz wie Tinte, sangen Shanties, während wir die überlaufenden Eimer voller Bilgewasser nach oben weiterreichten, wobei jeder weiter oben stehende Mann ein bisschen über die Männer unter ihm verschüttete und wir derart durchnässt waren, dass manche sogar völlig nackt arbeiteten.«
    Der Sturm flaute langsam ab, und nach einem zwölfstündigen Kampf wurde durch das Schott des Maschinenraums endlich ein Loch geschnitten, damit das Saugrohr der überfluteten Handpumpe erreicht werden konnte. Teddy Evans zwängte sich durch das Loch hindurch und arbeitete, bis zum Hals im Wasser stehend, um die Ventile zu säubern, bis »zur Freude aller zum ersten Mal ein kräftiger Wasserstrahl aus der Pumpe kam«, wie ein dankbarer Scott schrieb. Die Gefahr war vorüber – die Feuer in den Kesseln konnten wieder angezündet werden, die Bilgen trockneten aus, und man verschaffte sich einen Überblick über die Verluste. Alles war klitschnass, auch Grans Gummistiefel, die an »Aalreusen« erinnerten. Wichtiger war, dass zwei Ponys verendet waren und ihre Kadaver aus dem Backoberlicht hinausgeschafft werden mussten. Teddy Evans beschrieb es als »eine gemeine Sache, weil das Viereck der Luke so klein war, dass ein dickes Tau verwendet werden musste, um die Ponys wie tote Kaninchen in die Länge zu ziehen.« Außerdem war ein Hund ertrunken, und zehn Tonnen Kohle und 300 Liter Benzin waren verloren gegangen, zusammen mit einer Kiste Alkohol für biologische Präparate.
    Der phlegmatische Edgar Evans wurde spielend damit fertig und schrieb seiner Mutter einfach: »Seit unserer Abreise aus Neuseeland hatten wir ziemlich übles Wetter.« 3 Für Wilson war die Rettung der Terra Nova Gottes Werk, angekündigt von »einem wunderbaren, glänzenden Regenbogen«, der auf dem Höhepunkt des Sturms erschienen war, allerdings von seinen weniger religiös gesinnten Kollegen offensichtlich nicht bemerkt wurde. Wilson nahm dies als ein Zeichen, das »jeden Hauch eines Zweifels ausräumte, nicht nur in bezug auf die gegenwärtige Lage, sondern auch auf den endgültigen Ausgang der ganzen Expedition«. Auch Bowers wurde von einem ähnlich tiefen Glauben getragen: »[Auch] unter ihren schlimmsten Bedingungen lässt es sich auf dieser Erde gut leben.« 4 Nach 48 Stunden ohne Schlaf war Cherry-Garrard nüchterner. »Um das

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